Bundesgerichtshof verhandelt Revision im Fall Rüstungsexporte nach Mexiko

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Am  Donnerstag, 11. Februar beginnt beim der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ein Revisionsverfahren wegen der Rüstungsexporte von Heckler und Koch (HK) nach Mexiko. Gegen Teile eines Urteils des Landgerichts Stuttgart hatten das Unternehmen, die Staatsanwaltschaft und zwei Verurteilte Revision beantragt.

Nach einer Strafanzeige von Jürgen Grässlin, Sprecher der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“,  im Jahr 2010 hatte das Landgericht Stuttgart 2018 und 2019 die Waffenexporte von HK nach Mexiko unter die Lupe genommen. Das Gericht sah es schließlich als erwiesen an, dass die Genehmigung für den Export von etwa 4500 G-36-Sturmgewehren nach Mexiko mit bewusst falschen Endverbleibserklärungen (EVE) erschlichen worden war.  Diese Endverbleibserklärungen dokumentierten „gegenüber den deutschen Genehmigungsbehörden, wo die exportierten Waffen eingesetzt werden sollen und stellen ein Kernstück deutscher und europäischer Rüstungsexportkontrolle dar“, so Grässlin in einer Pressemitteilung.

Wirksame Kontrolle

Holger Rothbauer, der Anwalt der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, sieht im Revisionsverfahren eine grundsätzliche Bedeutung für die deutsche Rüstungsindustrie: „Unabhängig vom Ausgang zeigt das Verfahren schon jetzt, dass die bisherige Handhabung von Endverbleibserklärungen kein effektives Mittel der Rüstungsexportkontrolle ist. Der Gesetzgeber muss umgehend ein Rüstungsexportkontrollgesetz auf den Weg bringen, das eine wirksame Exportkontrolle etabliert.“

Im vor dem Landgericht Stuttgart verhandelten Fall  war als Empfängerland Mexiko angegeben., Dass die Waffen bei Polizei- und Sicherheitskräften in mexikanischen Unruheprovinzen landeten,  blieb den deutschen Behörden offiziell unbekannt. „Anders als bislang üblich sah das Landgericht Stuttgart die Endverbleibserklärungen auch nicht als Bestandteil der Exportgenehmigung an“, kritisiert Grässlin.

Das Landgericht verurteilte einen Mitarbeiter der mittleren Ebene und eine Sachbearbeiterin von HK zu Haftstrafen auf Bewährung. Das Unternehmen muss demnach etwa 3,7 Millionen Euro aus dem Mexikogeschäft an den Staat abgeben. Drei Angeklagte der obersten Ebene, darunter der frühere Landgerichtspräsident Peter Beyerle sprach das Gericht frei. Da die Staatsanwaltschaft gegen die Freisprüche keine Revision beantragte, sind diese drei Manager rechtskräftig freigesprochen.

Ein weiterer Angeschuldigter war aus Mexiko nicht zum Prozess erschienen. Er wird per internationalem Haftbefehl gesucht. HK, die zwei verurteilten Mitarbeiter und die Staatsanwaltschaft Stuttgart legten Revision ein.

Kritik am Stuttgarter Urteil

Dass die obere Etage freigesprochen wurde, haben Friedensaktivisten kritisiert, besonders den Freispruch für Beyerle. Diese Kritiker hoffen nun auf den BGH: „In diesen Fällen organisierter illegaler Waffenexporte sollten nicht nur die niederrangigen Mitarbeiter der Firmen zur Verantwortung gezogen werden“, sagt Christian Schliemann-Radbruch, Senior Legal Advisor beim European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) laut einer Pressemitteilung der „Aktion Aufschrei“. Insbesondere die Führungsebene mit klarer Zuständigkeit für die Ausfuhr und steten Kontakten in die betroffenen Ministerien dürfe nicht einfach aus der Verantwortung entlassen werden.

Protestplakate vor der Urteilsverkündung in Stuttgart vor zwei Jahren. Archiv-Foto: him

Schon in Stuttgart hatten Verwandte und Vertreter von Opfern der mexikanischen Polizei kritisiert, dass sie keine Rolle im Prozess spielten und nicht als Nebenkläger zugelassen wurden. „Um wirklich zu verhindern, dass mit deutschen Gewehren Gewalttaten und Menschenrechtsverletzungen in Mexiko begangen werden, hätten die Waffen überhaupt nicht nach Mexiko exportiert werden dürfen“, erläutert Carola Hausotter von der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko. Der Gesetzgeber müsse klarstellen, dass Rüstungsexportkontrolle auch die Opfer von Schusswaffengewalt in den Empfängerländern zu schützen hat. Diese hätten ein Recht darauf, an den Verfahren beteiligt zu werden. „Die Betroffenen warten noch immer auf die Veröffentlichung des Stuttgarter Urteils. Erst dann können sie die Verantwortlichen in Mexiko vor Gericht bringen“, so Hausotter laut Pressemitteilung.

Eine Anfrage der NRWZ an Heckler und Koch, wie man sich zu diesem Verfahren stelle, wollte HK Sprecher Marco Seliger nicht beantworten: „Bis zur Urteilsverkündung wird sich HK auch nicht weiter äußern.“ das Urteil soll bis zum Sommer fallen.

Info:  Das BGH-Verfahren trägt das Aktenzeichen 3 StR 474/19. Die Verhandlung ist öffentlich. Durch die Hauptverhandlung wird der BGH in eigener Zuständigkeit entscheiden.

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Am  Donnerstag, 11. Februar beginnt beim der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ein Revisionsverfahren wegen der Rüstungsexporte von Heckler und Koch (HK) nach Mexiko. Gegen Teile eines Urteils des Landgerichts Stuttgart hatten das Unternehmen, die Staatsanwaltschaft und zwei Verurteilte Revision beantragt.

Nach einer Strafanzeige von Jürgen Grässlin, Sprecher der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“,  im Jahr 2010 hatte das Landgericht Stuttgart 2018 und 2019 die Waffenexporte von HK nach Mexiko unter die Lupe genommen. Das Gericht sah es schließlich als erwiesen an, dass die Genehmigung für den Export von etwa 4500 G-36-Sturmgewehren nach Mexiko mit bewusst falschen Endverbleibserklärungen (EVE) erschlichen worden war.  Diese Endverbleibserklärungen dokumentierten „gegenüber den deutschen Genehmigungsbehörden, wo die exportierten Waffen eingesetzt werden sollen und stellen ein Kernstück deutscher und europäischer Rüstungsexportkontrolle dar“, so Grässlin in einer Pressemitteilung.

Wirksame Kontrolle

Holger Rothbauer, der Anwalt der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, sieht im Revisionsverfahren eine grundsätzliche Bedeutung für die deutsche Rüstungsindustrie: „Unabhängig vom Ausgang zeigt das Verfahren schon jetzt, dass die bisherige Handhabung von Endverbleibserklärungen kein effektives Mittel der Rüstungsexportkontrolle ist. Der Gesetzgeber muss umgehend ein Rüstungsexportkontrollgesetz auf den Weg bringen, das eine wirksame Exportkontrolle etabliert.“

Im vor dem Landgericht Stuttgart verhandelten Fall  war als Empfängerland Mexiko angegeben., Dass die Waffen bei Polizei- und Sicherheitskräften in mexikanischen Unruheprovinzen landeten,  blieb den deutschen Behörden offiziell unbekannt. „Anders als bislang üblich sah das Landgericht Stuttgart die Endverbleibserklärungen auch nicht als Bestandteil der Exportgenehmigung an“, kritisiert Grässlin.

Das Landgericht verurteilte einen Mitarbeiter der mittleren Ebene und eine Sachbearbeiterin von HK zu Haftstrafen auf Bewährung. Das Unternehmen muss demnach etwa 3,7 Millionen Euro aus dem Mexikogeschäft an den Staat abgeben. Drei Angeklagte der obersten Ebene, darunter der frühere Landgerichtspräsident Peter Beyerle sprach das Gericht frei. Da die Staatsanwaltschaft gegen die Freisprüche keine Revision beantragte, sind diese drei Manager rechtskräftig freigesprochen.

Ein weiterer Angeschuldigter war aus Mexiko nicht zum Prozess erschienen. Er wird per internationalem Haftbefehl gesucht. HK, die zwei verurteilten Mitarbeiter und die Staatsanwaltschaft Stuttgart legten Revision ein.

Kritik am Stuttgarter Urteil

Dass die obere Etage freigesprochen wurde, haben Friedensaktivisten kritisiert, besonders den Freispruch für Beyerle. Diese Kritiker hoffen nun auf den BGH: „In diesen Fällen organisierter illegaler Waffenexporte sollten nicht nur die niederrangigen Mitarbeiter der Firmen zur Verantwortung gezogen werden“, sagt Christian Schliemann-Radbruch, Senior Legal Advisor beim European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) laut einer Pressemitteilung der „Aktion Aufschrei“. Insbesondere die Führungsebene mit klarer Zuständigkeit für die Ausfuhr und steten Kontakten in die betroffenen Ministerien dürfe nicht einfach aus der Verantwortung entlassen werden.

Protestplakate vor der Urteilsverkündung in Stuttgart vor zwei Jahren. Archiv-Foto: him

Schon in Stuttgart hatten Verwandte und Vertreter von Opfern der mexikanischen Polizei kritisiert, dass sie keine Rolle im Prozess spielten und nicht als Nebenkläger zugelassen wurden. „Um wirklich zu verhindern, dass mit deutschen Gewehren Gewalttaten und Menschenrechtsverletzungen in Mexiko begangen werden, hätten die Waffen überhaupt nicht nach Mexiko exportiert werden dürfen“, erläutert Carola Hausotter von der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko. Der Gesetzgeber müsse klarstellen, dass Rüstungsexportkontrolle auch die Opfer von Schusswaffengewalt in den Empfängerländern zu schützen hat. Diese hätten ein Recht darauf, an den Verfahren beteiligt zu werden. „Die Betroffenen warten noch immer auf die Veröffentlichung des Stuttgarter Urteils. Erst dann können sie die Verantwortlichen in Mexiko vor Gericht bringen“, so Hausotter laut Pressemitteilung.

Eine Anfrage der NRWZ an Heckler und Koch, wie man sich zu diesem Verfahren stelle, wollte HK Sprecher Marco Seliger nicht beantworten: „Bis zur Urteilsverkündung wird sich HK auch nicht weiter äußern.“ das Urteil soll bis zum Sommer fallen.

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.