Kanten neben Faltenschwung: Skulpturen von Klaus W. Prior in der Lorenzkapelle

Holz neben Stein, Kanten neben Faltenschwung, Gotik neben Gegenwart – und doch eine erstaunliche Zwiesprache: In der Lorenzkapelle treten Skulpturen von Klaus W. Prior „in Dialog“ mit Skulpturen vom Kapellenturm. Zum Museumstag hat die Schau ihre Pforten geöffnet.
Es ist bereits die vierte „Gesprächs-Konstellation“, die zwischen den bedeutenden Repräsentanten der „Rottweiler Gotik“, den ehrwürdigen Propheten- und Apostel-Figuren aus den 1330er-Jahren, und Gegenwartskunst hergestellt wird: Im Jahrestakt waren Larven Willi Buchers, Glaskunst aus der Derix-Werkstatt und Kreuzwege von Rottweiler Künstlern im Wehrgang bei der Lorenzkapelle zu Gast.

Hinzuzählen muss man noch die Schau zu Siegfried Haas 2021, die am selben Ort ebenfalls Bildwerke über Jahrhunderte in Bezug setzte. Von diesem Ansatz war der kunstbegeisterte Michael Grimm so elektrisiert, dass er die Dialog-Reihe initiierte – und seither weiterführt. Zur Freude nicht zuletzt von Martina Meyr, der Leiterin der Städtischen Museen, die fast ohne Kosten damit weitere Anreize für den Besuch der Sammlung in der Lorenzkapelle setzen kann.

Und der Ansatz verbraucht sich bislang nicht – eher gewinnt er Jahr für Jahr an Kontur. Die Skulpturen von Klaus Prior jedenfalls wirken wie für die Zwiesprache mit den Gesellen aus der Gotik gemacht: Ranke Gestalten reihen sich ins Defilee der Apostel und Propheten ein – man sieht, was die bildnerische Idee von Körper damals und heute verbindet. Und trennt. Immer geht es im Proportionen und Gewichte, um Oberflächen und Lesbarkeit – in der Gotik im Sinne feinen Nachahmens, heute im Sinne kühner Andeutung.

Das fügt sich bestens zusammen, auch bei den Reliefarbeiten. Frappierend zudem eine Mutter-Kind-Konstellation in der Lorenzkapelle: Einer gotischen Himmelskönigin stellt Prior eine wuchtige Skulptur zur Seite – und doch stellt sich mehr Zwiesprache ein, als vordergründige Parallelen nahelegen. Immer geht es um den Menschen, seine Schönheit, seine Verletzlichkeit.

Der 1945 in Wesel geborene und in Lugano lebende Bildhauer und Maler Klaus Prior gehört zu den präsentesten Gegenwartskünstlern im südwestdeutschen Raum. Er ist ein Grenzgänger, der im Tessin, in Italien und ab der Jahrtausendwende auch im oberschwäbischen Raum – mit Atelier in Kißlegg – ein vielfältiges Werk entfaltete.
Info: Dank des Einsatzes ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist die Kunstsammlung Lorenzkapelle bis Oktober an jedem ersten und dritten Sonntag im Monat von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.