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    Offener Brief an die Kolleginnen und Kollegen: Freie Wähler wollen vermeintlich teuren Gemeinderatsbeschluss rückgängig machen

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    In einem Offenen Brief wenden sich die Freien Wähler an ihre Kolleginnen und Kollegen im Rottweiler Gemeinderat. Sie wollen einen Gemeinderatsbeschluss von vergangener Woche rückgängig machen, bei dem sie gegen die anderen Fraktionen unterlagen. An sich ein ungewöhnlicher Vorgang. Unabhängig davon kann der Unterzeichner des Briefs, Stadtrat Dr. Peter Schellenberg, eventuell sogar ein Schlingel genannt werden.

    Beschlüsse des Gemeinderats Rottweil von vergangener Woche würden den städtischen Haushalt jährlich mit satten 400.000 Euro belasten. Diese Summe sei nicht im Haushalt 2020 verankert und nicht gegenfinanziert. Und der städtische Haushalt drohe 2021 mit fünf Millionen Euro ins Minus zu rutschen. Das sind die Argumente der Freien Wähler, mit denen sie versuchen, die Beschlüsse rückgängig zu machen. Dazu hat ihr Sprecher, Stadtrat Dr. Peter Schellenberg, einen Offenen Brief verfasst.

    Den Offenen Brief bringen wir hier im Wortlaut. Und gleich auch die Gegenrede. Zunächst aber die Hintergründe: Ab dem 1. Januar wird das System der Kindergarten- und Kita-Gebühren in Rottweil umgestellt – und zwar anders als die Verwaltung vorgeschlagen hatte, nämlich vom badischen zum württembergischen Modell. Und das hat Auswirkungen vor allem bei Familien mit mehreren Kindern. Denn nach dem bisher in Rottweil geltenden badischen Modell gibt es für das zweite und jedes weitere Kind im Kindergarten Ermäßigung – aber nur für die Kinder, die aktuell den Kindergarten besuchen.

    Im Beispielsfall muss die Familie für das erste Kind 130, für das zweite 87 und für das dritte und jedes weitere Kind gar nichts bezahlen. Wenn alle drei den Kindergarten besuchen. Wenn eines der Kinder in die Schule kommt, wird dieses nicht mehr berücksichtigt, und die Familie zahlt immer noch 217 Euro. Und wenn nur noch ein Kind im Kindergarten ist, sind 130 Euro fällig – wie bei einem Einzelkind.

    Das Württembergischen Modell berücksichtigt alle Kinder einer Familie unter 18, egal, ob sie in der Schule oder im Kindergarten sind. Hat die Familie mit drei Kindern also nur noch das Jüngste im Kindergarten, so ist nicht der Betrag für ein Einzelkind, sondern nur der Betrag für eins von drei Kindern fällig – im Beispiel wären das 65 Euro. Die Hälfte also.

    Schellenberg erklärt nun, diese Umstellung, die vor allem die CDU und SPD+FFR, aber auch die Grünen im Gemeinderat unterstützt hatten, würde die Stadtkasse über Gebühr belasten, sei nicht eingepreist, sei nicht gegenfinanziert. Dabei ist klar, das ist die Gegenrede, dass zumindest ein Teil dieser Kosten erst ab dem Jahr 2021 entstehen wird, nämlich nach Umstellung des Modells, und daher im Haushalt 2020 gar nicht enthalten sein kann. Und weil die Gebühren dann ab 1. Januar ohnehin neu gefasst werden müssen, wird das Thema noch in den Gemeinderat kommen. Wie auch der Haushalt 2021, auf den sich die Kosten auswirken werden.

    Dennoch, wie versprochen, hier der Offene Brief Schellenbergs namens der Stadtratsfraktion der Freien Wähler im Wortlaut:

    Sehr geehrte Kollegin und Kollegen im Rottweiler Gemeinderat,

    in der Gemeinderatssitzung am 22.07.2020 wurde unter dem Tagesordnungspunkt 5: Kiga-Kommission: – Gebührenmodell, – Gute-KITA-Gesetz – Leitungsfreistellung und Familienpass, Beschlüsse gefasst, die den städtischen Haushalt mit Kosten von rund 400.000 € pro Jahr belasten. Diese Kosten sind im Haushalt 2020 nicht veranschlagt, also nicht finanziert. Auch wurde von den Antragsstellern keine Gegenfinanzierung vor­ gelegt, obwohl dies geübte Praxis ist, wenn Anträge von Fraktionen zu Kosten führen. Aus diesem Grunde wurden die beiden vorliegenden Anträge der CDU und SPD/FFR von Seiten der Stadtverwaltung nicht unterstützt. Trotzdem haben Sie gegen die Emp­ fehlung der Stadtverwaltung diese Anträge mit den Gegenstimmen unserer Fraktion durchgesetzt.

    Wir dürfen in Erinnerung rufen, dass wir aufgrund der Coronakrise am 24.06.2020 nach dem Aufheben der Haushaltssperre eine Nachtragshaushaltssatzung beschlossen ha­ ben, um den extremen Einnahmeverlusten in diesem Haushaltjahr entgegen zu treten. Auch hat unser Kämmereichef Herr Walter unter ToP 4, also unmittelbar vor diesen Be­ schlüssen, in seinem Finanzbericht die dramatische Haushaltslage dargestellt, so muss im Jahr 2021 mit einem negativen ordentlichen Ergebnis von bis zu 5,0 Mio€! gerechnet werden. Auch müssen wir Ihnen in Erinnerung rufen, dass wir zur Eindämmung des Haushaltsdefizites derzeit eine Aufgabenkritik in der Haushaltsstrukturkommission durchführen, um den kompletten Haushalt nach Kosteneinsparpotentiale zu überprüfen.

    Diese Aufgabe ist nun nach ihren Beschlüssen ad absurdum geführt. In dieser unsiche­ ren Haushaltslage sollte man der Stadtverwaltung Rückendeckung geben und nicht zu­ sätzlich belasten.

    Liebe Kollegin, liebe Kollegen, wir Gemeinderäte der Fraktion der Freien Wähler können uns nicht daran erinnern, dass unterjährig ohne Haushaltanbindung und ohne Gegenfi­ nanzierung derart kostenintensive Beschlüsse gegen die Empfehlung der Stadtverwal­ tung gefasst wurden. Markenzeichen unseres städtischen Haushaltes ist seit Jahren das solide Wirtschaften. Dafür steht unsere Gemeinderatsfraktion der Freien Wähler. Wir erwarten von ihnen Vorschläge zur Finanzierung der außerplanmäßigen Kosten und bie­ ten gegebenenfalls unsere Unterstützung an. Steuer- und Gebührenerhöhungen sind aus unserer Sicht hierzu nicht geeignet.

    Für die Gemeinderatsfraktion der Freien Wähler Rottweil
    Dr. Peter Schellenberg
    (Fraktionssprecher)

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    Peter Arnegger (gg)
    Peter Arnegger (gg)
    … ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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    Beschlüsse des Gemeinderats Rottweil von vergangener Woche würden den städtischen Haushalt jährlich mit satten 400.000 Euro belasten. Diese Summe sei nicht im Haushalt 2020 verankert und nicht gegenfinanziert. Und der städtische Haushalt drohe 2021 mit fünf Millionen Euro ins Minus zu rutschen. Das sind die Argumente der Freien Wähler, mit denen sie versuchen, die Beschlüsse rückgängig zu machen. Dazu hat ihr Sprecher, Stadtrat Dr. Peter Schellenberg, einen Offenen Brief verfasst.

    Den Offenen Brief bringen wir hier im Wortlaut. Und gleich auch die Gegenrede. Zunächst aber die Hintergründe: Ab dem 1. Januar wird das System der Kindergarten- und Kita-Gebühren in Rottweil umgestellt – und zwar anders als die Verwaltung vorgeschlagen hatte, nämlich vom badischen zum württembergischen Modell. Und das hat Auswirkungen vor allem bei Familien mit mehreren Kindern. Denn nach dem bisher in Rottweil geltenden badischen Modell gibt es für das zweite und jedes weitere Kind im Kindergarten Ermäßigung – aber nur für die Kinder, die aktuell den Kindergarten besuchen.

    Im Beispielsfall muss die Familie für das erste Kind 130, für das zweite 87 und für das dritte und jedes weitere Kind gar nichts bezahlen. Wenn alle drei den Kindergarten besuchen. Wenn eines der Kinder in die Schule kommt, wird dieses nicht mehr berücksichtigt, und die Familie zahlt immer noch 217 Euro. Und wenn nur noch ein Kind im Kindergarten ist, sind 130 Euro fällig – wie bei einem Einzelkind.

    Das Württembergischen Modell berücksichtigt alle Kinder einer Familie unter 18, egal, ob sie in der Schule oder im Kindergarten sind. Hat die Familie mit drei Kindern also nur noch das Jüngste im Kindergarten, so ist nicht der Betrag für ein Einzelkind, sondern nur der Betrag für eins von drei Kindern fällig – im Beispiel wären das 65 Euro. Die Hälfte also.

    Schellenberg erklärt nun, diese Umstellung, die vor allem die CDU und SPD+FFR, aber auch die Grünen im Gemeinderat unterstützt hatten, würde die Stadtkasse über Gebühr belasten, sei nicht eingepreist, sei nicht gegenfinanziert. Dabei ist klar, das ist die Gegenrede, dass zumindest ein Teil dieser Kosten erst ab dem Jahr 2021 entstehen wird, nämlich nach Umstellung des Modells, und daher im Haushalt 2020 gar nicht enthalten sein kann. Und weil die Gebühren dann ab 1. Januar ohnehin neu gefasst werden müssen, wird das Thema noch in den Gemeinderat kommen. Wie auch der Haushalt 2021, auf den sich die Kosten auswirken werden.

    Dennoch, wie versprochen, hier der Offene Brief Schellenbergs namens der Stadtratsfraktion der Freien Wähler im Wortlaut:

    Sehr geehrte Kollegin und Kollegen im Rottweiler Gemeinderat,

    in der Gemeinderatssitzung am 22.07.2020 wurde unter dem Tagesordnungspunkt 5: Kiga-Kommission: – Gebührenmodell, – Gute-KITA-Gesetz – Leitungsfreistellung und Familienpass, Beschlüsse gefasst, die den städtischen Haushalt mit Kosten von rund 400.000 € pro Jahr belasten. Diese Kosten sind im Haushalt 2020 nicht veranschlagt, also nicht finanziert. Auch wurde von den Antragsstellern keine Gegenfinanzierung vor­ gelegt, obwohl dies geübte Praxis ist, wenn Anträge von Fraktionen zu Kosten führen. Aus diesem Grunde wurden die beiden vorliegenden Anträge der CDU und SPD/FFR von Seiten der Stadtverwaltung nicht unterstützt. Trotzdem haben Sie gegen die Emp­ fehlung der Stadtverwaltung diese Anträge mit den Gegenstimmen unserer Fraktion durchgesetzt.

    Wir dürfen in Erinnerung rufen, dass wir aufgrund der Coronakrise am 24.06.2020 nach dem Aufheben der Haushaltssperre eine Nachtragshaushaltssatzung beschlossen ha­ ben, um den extremen Einnahmeverlusten in diesem Haushaltjahr entgegen zu treten. Auch hat unser Kämmereichef Herr Walter unter ToP 4, also unmittelbar vor diesen Be­ schlüssen, in seinem Finanzbericht die dramatische Haushaltslage dargestellt, so muss im Jahr 2021 mit einem negativen ordentlichen Ergebnis von bis zu 5,0 Mio€! gerechnet werden. Auch müssen wir Ihnen in Erinnerung rufen, dass wir zur Eindämmung des Haushaltsdefizites derzeit eine Aufgabenkritik in der Haushaltsstrukturkommission durchführen, um den kompletten Haushalt nach Kosteneinsparpotentiale zu überprüfen.

    Diese Aufgabe ist nun nach ihren Beschlüssen ad absurdum geführt. In dieser unsiche­ ren Haushaltslage sollte man der Stadtverwaltung Rückendeckung geben und nicht zu­ sätzlich belasten.

    Liebe Kollegin, liebe Kollegen, wir Gemeinderäte der Fraktion der Freien Wähler können uns nicht daran erinnern, dass unterjährig ohne Haushaltanbindung und ohne Gegenfi­ nanzierung derart kostenintensive Beschlüsse gegen die Empfehlung der Stadtverwal­ tung gefasst wurden. Markenzeichen unseres städtischen Haushaltes ist seit Jahren das solide Wirtschaften. Dafür steht unsere Gemeinderatsfraktion der Freien Wähler. Wir erwarten von ihnen Vorschläge zur Finanzierung der außerplanmäßigen Kosten und bie­ ten gegebenenfalls unsere Unterstützung an. Steuer- und Gebührenerhöhungen sind aus unserer Sicht hierzu nicht geeignet.

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