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„Ein-Euro-Ticket“:  Keine Vorabinfos an die Partner

Wer sind die Verhandlungspartner der Stadt? Move oder die Busunternehmen? +++ aktualisiert: Stadt widerspricht

Der Schramberger Gemeinderat hat mehrheitlich beschlossen, das seit Anfang 2024 geltende Ein-Euro-Ticket wieder zum Jahresende aufzugeben. Der Grund: Die Kosten sind wegen des großen Erfolgs enorm gestiegen. Im Vorfeld dieser Entscheidung hatte die Stadtverwaltung Schramberg aber die beteiligten Busunternehmen und das Nahverkehrsamt nicht informiert. Es gab wohl auch keine Gespräche mit den Beteiligten, wie man das Ein-Euro-Ticket retten könnte.

Schramberg. Anfragen der NRWZ an die Busunternehmen und ans Landratsamt hat ein Teil der Angefragten beantwortet. Olga Bär vom Büro des Landrats beispielsweise schreibt: „Im Vorfeld der Entscheidung wurden weder das Landratsamt noch das Nahverkehrsamt von der Stadt Schramberg kontaktiert oder in Gespräche eingebunden.“ Der Landkreis ist über einen Vertrag bei der Förderung der Linien 30, 40 und 50 nach Oberndorf Rottweil und Schiltach am Ein-Euro-Ticket beteiligt.

Zuständigkeitswirrwarr

Außerdem sind die Südbadenbus mit mehreren Linien und die Busunternehmen Rapp aus Königsfeld und Müller Reisen aus Bösingen dabei. Der Verkehrsverbund Move sieht sich lediglich als „Clearingstelle“. Der Verbund verteilt nach eigenen Angaben die von der Stadt Schramberg aufgefüllten Fahrgeldeinnahmen an die Beteiligten.

Bei der Südbadenbus (SBG) war man überrascht von der Schramberger Entscheidung. „Aus der Presse“ habe sie davon erfahren, sagt die Mitarbeiterin des Schramberger Kundencenters.

Der Regionalmanager der SBG Jürgen Marquardt erklärt, der Tarifverbund Move sei für das Ein-Euro-Ticket zuständig. „Wir setzen als Verkehrsunternehmen die Tarife um“, sagt er am Telefon. Alles andere sei „ein ganz großes Missverständnis.“ Auch bei ihm ist keine Info aus Schramberg zum Ende des Ein-Euro-Tickets angekommen.

In Auftrag der SBG antwortet ein Sprecher der Bahn am Montag, das Schramberger Ein-Euro-Ticket sei aufgrund der gestiegenen Fahrgastzahlen „durchaus als Erfolg zu werten“. Sein Unternehmen sei vorab nicht über das Aus informiert worden, es habe auch keine Gespräche mit der Stadt dazu gegeben.

Geschäftsführer Bernd Müller von Müller Reisen erklärt, sein Unternehmen habe mit der Stadt Schramberg „keine vertragliche Beziehung“. Man sei nur durch eine Linie, die über Waldmössingen führt, involviert. „Aus diesem Grunde können wir weder zur Kostenstruktur noch zur aktuellen Einnahmesituation etwas beitragen. Wir sind hier definitiv nicht beteiligt.“

Ein Banner über der Oberndorfer Straße warb im März 2024 für das Ein-Euro-Ticket. Archiv-Foto: him

Verhandlungen schwierig

Im Gemeinderat hatte die Fraktion SPD-Buntspecht vorgeschlagen, man sollte wenigstens versuchen, mit den Beteiligten zu verhandeln. Fachbereichsleiterin Susanne Gwosch meinte, in der Kürze der Zeit bis zum Kündigungstermin 30. Juni sei das wohl schwierig.

Das Landratsamt Rottweil verweist wie die Stadt Schramberg auf die schwierige Haushaltslage. Deswegen werde der Landkreis „in keine entsprechenden Verhandlungen eintreten“. Lokale Preisreduzierungen müssten auf kommunaler Ebene geplant, umgesetzt und finanziert werden, schreibt Bär. Das Landratsamt verweist auf Schiltach und Deißlingen, die ihre Angebote – Null-Euro in Schiltach, 50 Cent in Deißlingen – ebenfalls ausschließlich selbst finanzierten.

Müller: Auf 1,50 erhöhen

Busunternehmer Bernd Müller ist der Meinung, dank des 49-Euro-Tickets hätten aktive ÖPNV-Nutzer „gute und günstige Möglichkeiten“, den ÖPNV zu nutzen.

Zum Schramberger Ein-Euro-Ticket schlägt er vor, den Preis auf 1,50 Euro hochzusetzen. „Dann wären die höheren Kosten (Stand 2024) in etwa wieder abgedeckt“, so Müller. Auch eine Erhöhung auf zwei Euro in den Folgejahren hielte er für möglich.

Eisenlohr: „Nicht das Ende aller Tage“

Bei einem Pressegespräch zum Klimaschutz kam Schrambergs Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr auch auf das „Ein-Euro-Ticket“ zu sprechen. Der jetzige Gemeinderatsbeschluss sei „nicht das Ende aller Tage“, so Eisenlohr.

Andererseits wäre es doch „viel sinnvoller, wenn nicht jede Kommune ihr eigenes Subventionierungsprogramm an den Start bringt“, sondern übergeordnet, also auf Kreis- oder Regionalebene, gehandelt würde.

Kündigen und neu verhandeln

Nach der Gemeinderatsentscheidung hatte die SPD das Ende des Ein-Euro-Tickets als „vertane Chance“ kritisiert. Die CDU hingegen meinte, es könne nicht dauerhaft Aufgabe der Stadt sein, solche Tickets zu subventionieren.

In einem Leserbrief hat Mark Finnern vorgeschlagen, den bisherigen Vertrag wie beschlossen zu kündigen. Gleichzeitig sollte die Stadt aber mit Move und Nachbargemeinden wie Lauterbach an einen Tisch sitzen „und eine neue Vereinbarung mit Kostendeckel, Pauschalvergütung und alternativer Gegenfinanzierung … erarbeiten“.

Vielleicht gibt es ja doch noch eine Chance, dass man auch 2026 in Schramberg für kleines Geld „klimaschonend mobil“ bleiben kann, wie die Stadt so richtig fürs Ein-Euro-Ticket wirbt.

Aushang der Stadt zum Ein-Euro-Ticket. Foto: him

Gwosch stellt richtig: Vertragspartner waren informiert

Update 26. Juni. In der Sitzung des Verwaltungsausschusses am 26. Juni erklärte Fachbereichsleiterin Susanne Gwosch, sie wollte diesen Bericht und die Überschrift richtigstellen. Die NRWZ habe geschrieben „Keine Vorabinfo an die Vertragspartner“. Das sei nicht richtig.

Die Stadt habe die Vertragspartner, den Verkehrsverbund Move und die Gemeinde Hardt. „Beide waren informiert.“ Der Verkehrsverbund und die Landkreise hätten die Verträge mit den Verkehrsunternehmen, so Gwosch.

Vertragspartner oder Partner?

Dazu zwei Hinweise: Die Überschrift lautet – siehe oben – „Keine Vorabinfos an die Partner“ und zu diesen kann man durchaus die Busunternehmer zählen. Gleich darunter steht die Frage: „Wer sind denn die Verhandlungspartner?“

Nach einer Mail, die Gwosch den Gemeinderätinnen und Räten am 8. Mai im Zusammenhang mit der Haushaltsstrukturkommission und einer Kostenbeteiligung zukommen ließ, hatte sie von Move diese Auskunft erhalten:

„Move ist lediglich Clearingstelle und verteilt die (aufgefüllten) Fahrgeldeinnahmen zu 100 % weiter an die erlösverantwortlichen Aufgabenträger bzw. Verkehrsunternehmen. Der Verbund kann sich daher nicht an den Kosten beteiligen. Diese Frage müssten Sie an die Erlösverantwortlichen richten. In Ihrem Fall wäre das

Linie 20/21:  Eigenwirtschaftlich Müller Reisen

Linie 30,40,50:   Bruttovertrag Landkreis Rottweil (SBG)

Linien 55, 56:  Eigenwirtschaftlich Autoverkehr Rapp

Linien 7475, 7479, 7481, 7484, 7486:   Eigenwirtschaftlich SBG

Linien Anrufbus:  Bruttovertrag Landkreis Rottweil (Taxi Ehret).“

Aus dieser Antwort leitete sich auch die Frage der NRWZ ab: „Wer sind denn die Verhandlungspartner?“ Wenn man Move Glauben schenken mag, dann hätte die Stadtverwaltung die Busunternehmen beziehungsweise das Landratsamt als Gesprächs- oder Verhandlungspartner. Mit diesen aber hat niemand geredet.




Martin Himmelheber (him)

... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.
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