In der Schmökerstube fliegen die Bücher aus dem Fenster

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SCHRAMBERG –  Nach fast 40 Jahren endet eine erfolgreiche Hilfsaktion aus Schramberg in einem Papiercontainer: Die Haiti-Hilfe Schramberg (HHS) gibt ihre Schmökerstube in der Falkensteinstraße auf. Etwa 18.000 Bücher landen im Altpapier.

Albert Bäumer und  Jean-Marc Herrgott warten. „Es hat geheißen, der Fahrer mit dem Container kommt früh“, erzählt der Noch-Vorsitzende der Haiti-Hilfe. „Seit sechs Uhr sind wir hier.“ Inzwischen ist es halb Neun. Der Mitbegründer der HHS Albert Bäumer hat die Zeit genutzt und die Regalabteile gezählt: „Ich bin auf 900 gekommen. Nimmt man je Fach etwa 25 Bücher, kommst Du auf gut 20.000 Bücher.“ Beim Ausverkauf seien noch etwa 1500 weggegangen, bleiben etwa 18.000 fürs Altpapier.

Ob ihn beim Ausräumen wehmütige Gefühle beschleichen? „Ich bin froh, dass es zu Ende geht“, sagt Bäumer. Es änderten sich die Zeiten, hier bei uns, aber auch in Haiti. „Die langjährigen Partner, die wir hatten, sind nicht mehr da. Neuen Leuten musst Du erklären, was Du eigentlich willst.“ Die Verlässlichkeit früherer Jahre sei auch nicht mehr gegeben.

Statt Einzelpatenschaften kollektive Projekte

Entscheidend für den Beschluss aufzuhören, sei aber eine grundsätzlich neue Politik der Hilfsorganisationen gewesen, betont Herrgott: „Die Einzelpatenschaften, wie sie die Haiti-Hilfe vermittelt hat, gibt es nicht mehr.“ Organisationen wie das Kindermissionswerk in Aachen (KMW), mit dem die HHS jahrzehntelang zusammen gearbeitet hatte, setzten auf „kollektive Projekte“.  Projekte, die allen und nicht nur einzelnen in einem Dorf beispielsweise helfen. Herrgott ruft per Smartphone einen Freund an: „Kannst Du mal nachfragen, wo der Container bleibt?“

Der Container fehlt noch. Foto: him

„Die Einzelpatenschaften sind aber auch sehr arbeitsintensiv“, erzählt Bäumer. Die Finanzverwaltung, das Übersetzen von Briefen, die Kontakte aufrecht erhalten, das alles gehe nur ehrenamtlich. Heute sei niemand mehr zu  einem solchen Engagement in der Lage, wie es bei der HHS anfangs noch möglich war.  Der jetzige Vorstand des Vereins gehe auf die 80 zu oder sei schon älter. Die internationalen Kontakte aufrecht erhalten und einen  Etat von 300.000 Euro im, Jahr verwalten, übersteige ihre Kräfte. „Es geht nicht mehr.“

Hilfe läuft langsam aus

Zu den besten Zeiten unterstützte die HHS 560 Kinder und Jugendliche in Haiti. Das sei nun weitgehend ausgelaufen. Man fördere weiterhin ein Waisenhaus, das KMW übernehme die beiden Gehörlosenschulen.

Förderer, die ihre Schützlinge weiter unterstützen wollten, könnten dies individuell in Freundeskreisen tun. Diese Kreise können dann noch eine Ausbildung eines jungen Menschen finanzieren und dafür sorgen, dass die Unterstützung „nicht zu brüsk endet“, so Bäumer. Es fehle dann aber der Hintergrund des KMW, und damit auch die Möglichkeit eine Spendenbescheinigung auszustellen.

Eigentlich sei die Lage in Haiti gerade wieder sehr schlecht. Wegen der internationalen Großwetterlage, etwa des Konfliktes  der USA mit Venezuela, seien Benzin und Öl sehr knapp, berichtet Bäumer. „Die Haitianer baden es aus.“  Auf der Landstraße rumpelt ein großer Lastwagen mit zwei Containerwannen vorbei, verpasst aber die Einfahrt in die Falkensteinstraße. „Hoffentlich schaffen die das heute noch“, meint Herrgott schließlich. „Wir haben ein gutes Dutzend Helfer zum Bücher rauswerfen  bestellt.“ Gegen  9 Uhr trifft der Container schließlich ein, und die Bücher fliegen aus dem Fenster.  

Endlich steht auch der Container. Foto: rem

Info: Zu ihrer vermutlich letzten Mitgliederversammlung trifft sich die Haiti-Hilfe Schramberg am Samstag, 30. November um 15.30 Uhr. Wichtigster Tagesordnungspunkt: Auflösung des Vereins.

Das interessiert diese Woche



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SCHRAMBERG –  Nach fast 40 Jahren endet eine erfolgreiche Hilfsaktion aus Schramberg in einem Papiercontainer: Die Haiti-Hilfe Schramberg (HHS) gibt ihre Schmökerstube in der Falkensteinstraße auf. Etwa 18.000 Bücher landen im Altpapier.

Albert Bäumer und  Jean-Marc Herrgott warten. „Es hat geheißen, der Fahrer mit dem Container kommt früh“, erzählt der Noch-Vorsitzende der Haiti-Hilfe. „Seit sechs Uhr sind wir hier.“ Inzwischen ist es halb Neun. Der Mitbegründer der HHS Albert Bäumer hat die Zeit genutzt und die Regalabteile gezählt: „Ich bin auf 900 gekommen. Nimmt man je Fach etwa 25 Bücher, kommst Du auf gut 20.000 Bücher.“ Beim Ausverkauf seien noch etwa 1500 weggegangen, bleiben etwa 18.000 fürs Altpapier.

Ob ihn beim Ausräumen wehmütige Gefühle beschleichen? „Ich bin froh, dass es zu Ende geht“, sagt Bäumer. Es änderten sich die Zeiten, hier bei uns, aber auch in Haiti. „Die langjährigen Partner, die wir hatten, sind nicht mehr da. Neuen Leuten musst Du erklären, was Du eigentlich willst.“ Die Verlässlichkeit früherer Jahre sei auch nicht mehr gegeben.

Statt Einzelpatenschaften kollektive Projekte

Entscheidend für den Beschluss aufzuhören, sei aber eine grundsätzlich neue Politik der Hilfsorganisationen gewesen, betont Herrgott: „Die Einzelpatenschaften, wie sie die Haiti-Hilfe vermittelt hat, gibt es nicht mehr.“ Organisationen wie das Kindermissionswerk in Aachen (KMW), mit dem die HHS jahrzehntelang zusammen gearbeitet hatte, setzten auf „kollektive Projekte“.  Projekte, die allen und nicht nur einzelnen in einem Dorf beispielsweise helfen. Herrgott ruft per Smartphone einen Freund an: „Kannst Du mal nachfragen, wo der Container bleibt?“

Der Container fehlt noch. Foto: him

„Die Einzelpatenschaften sind aber auch sehr arbeitsintensiv“, erzählt Bäumer. Die Finanzverwaltung, das Übersetzen von Briefen, die Kontakte aufrecht erhalten, das alles gehe nur ehrenamtlich. Heute sei niemand mehr zu  einem solchen Engagement in der Lage, wie es bei der HHS anfangs noch möglich war.  Der jetzige Vorstand des Vereins gehe auf die 80 zu oder sei schon älter. Die internationalen Kontakte aufrecht erhalten und einen  Etat von 300.000 Euro im, Jahr verwalten, übersteige ihre Kräfte. „Es geht nicht mehr.“

Hilfe läuft langsam aus

Zu den besten Zeiten unterstützte die HHS 560 Kinder und Jugendliche in Haiti. Das sei nun weitgehend ausgelaufen. Man fördere weiterhin ein Waisenhaus, das KMW übernehme die beiden Gehörlosenschulen.

Förderer, die ihre Schützlinge weiter unterstützen wollten, könnten dies individuell in Freundeskreisen tun. Diese Kreise können dann noch eine Ausbildung eines jungen Menschen finanzieren und dafür sorgen, dass die Unterstützung „nicht zu brüsk endet“, so Bäumer. Es fehle dann aber der Hintergrund des KMW, und damit auch die Möglichkeit eine Spendenbescheinigung auszustellen.

Eigentlich sei die Lage in Haiti gerade wieder sehr schlecht. Wegen der internationalen Großwetterlage, etwa des Konfliktes  der USA mit Venezuela, seien Benzin und Öl sehr knapp, berichtet Bäumer. „Die Haitianer baden es aus.“  Auf der Landstraße rumpelt ein großer Lastwagen mit zwei Containerwannen vorbei, verpasst aber die Einfahrt in die Falkensteinstraße. „Hoffentlich schaffen die das heute noch“, meint Herrgott schließlich. „Wir haben ein gutes Dutzend Helfer zum Bücher rauswerfen  bestellt.“ Gegen  9 Uhr trifft der Container schließlich ein, und die Bücher fliegen aus dem Fenster.  

Endlich steht auch der Container. Foto: rem

Info: Zu ihrer vermutlich letzten Mitgliederversammlung trifft sich die Haiti-Hilfe Schramberg am Samstag, 30. November um 15.30 Uhr. Wichtigster Tagesordnungspunkt: Auflösung des Vereins.

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.