Freitag, 29. März 2024

Pfarrhaus Waldmössingen: Privatverkauf gescheitert

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Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.
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Schramberg.  Vor einigen Wochen hat der Waldmössinger Ortschaftsrat beschlossen, das seit Jahren leerstehende ehemalige Pfarrhaus der katholischen Kirchengemeinde abzukaufen. (Wir haben berichtet.) Was man damit anstellen soll, ist zwar noch unklar, aber für die Ortsentwicklung sei es „von größter Bedeutung“, meint Ortsvorsteher Reiner Ullrich.

„Für uns hätte es genau gepasst“

Von größter Bedeutung wäre das Haus aber auch für die Familie S. aus Villingen-Schwenningen gewesen. Nach Erscheinen unseres Berichts hat sich Lars Schmidt bei der NRWZ gemeldet. Er sei Vater eines sechsjährigen Jungen, der an einem sehr seltenen Gendefekt leide. „Mein Sohn hat eine psychomotorische Entwicklungsstörung und kann weder sprechen, laufen, krabbeln noch sitzen, noch nicht einmal seinen Kopf selbstständig heben.“

Um seine Ernährung sicherzustellen, habe er eine Magensonde. Er braucht Pflege rund um die Uhr. Seine Frau sei deshalb nicht mehr berufstätig. Sie hätten seit langem nach einer passenden und bezahlbaren Immobilie gesucht. „Unser Sohn benötigt viel Platz, da er sehr viele Hilfsmittel braucht. Außerdem muss alles ebenerdig sein.“

Im Oktober 2021 seien sie auf das Waldmössinger Pfarrhaus gestoßen, das genau für ihre Bedürfnisse gepasst hätte. Sie hätten sich als Käufer beworben, im Februar 2022 habe es eine Besichtigung gegeben und anschließend eine Zusage der Kirchengemeinde erhalten. Das Problem: Die Grundstücksverhältnisse sind kompliziert, und die Kirchengemeinde war laut Schmidt auf den Verkauf nicht vorbereitet. Man hätte das Grundstück von den bisherigen anderen kircheneigenen Grundstücken abtrennen müssen.

Grundstücks- und Stellplatzprobleme

Bei einem weiteren Termin mit Ortsvorsteher, Vertretern der Kirchengemeinde und Vermesser sei man alle Punkte für eine Aufspaltung durchgegangen. Diese Aufspaltung sei aber nie zustande gekommen, weil sich die Stadt Schramberg quergelegt habe. Dabei ging es um 18 Parkplätze und deren Zuordnung. Die Kirchengemeinde habe der Stadt Vorschläge unterbreitet, wie das mit den Parkplätzen gemacht werden könne, so Schmidt.

Um eine Zufahrt zu ihrem Haus zu haben, hätte die Familie Schmidt einen Parkplatz benötigt. „Aber selbst das wurde abgelehnt.“  Auch viele weitere Vorschläge habe es gegeben, die die zuständige Mitarbeiterin alle „abgeschmettert“ habe.

Im Gespräch mit der NRWZ weist  die Angesprochene darauf hin, dass der Kontakt zum Investor bestanden habe. Für die Klärung der Stellplatzfrage sei aber grundsätzlich der Grundstückseigentümer zuständig.

Weil im Laufe der letzten beiden Jahre die Bauzinsen und Baukosten enorm gestiegen seien, habe er sein ursprüngliches Kaufpreisangebot von 300.000 Euro nicht mehr aufrechterhalten können, versichert Familienvater Schmidt auf Nachfrage der NRWZ. Die Kirchengemeinde habe bei ihm nachgefragt, ob er weiter interessiert sei. Er habe der Gemeinde ein Angebot gemacht, mit deutlich niedrigerer Kaufpreis-Summe, und alternativ eine Erbpachtlösung angeboten. „Leider hat die Kirche sich auf keines der Angebote eingelassen und uns auch kein Gegenangebot mehr unterbreitet“, bedauert Schmidt.

Er verweist auf die Auseinandersetzung zwischen Kirchengemeinde und Stadt Schramberg im Zusammenhang mit dem Anbau und der Sanierung des katholischen Kindergartens in Waldmössingen. Seine Familie und er seien da „zwischen die Fronten geraten“, vermutet er und würden jetzt „vor vollendete Tatsachen gestellt“.

„Zwischen die Fronten geraten“

Lars Schmidt weist darauf hin, dass er „viel Zeit, Energie und auch Geld“ in das Projekt investiert habe. Er habe bei der L-Bank einen Förder-Antrag eingereicht und einen Architekten beauftragt, der das ganze Projekt behindertengerecht planen sollte. „Auf diesen Kosten bleiben wir jetzt sitzen“, ärgert sich Schmidt.

Er sei sehr enttäuscht, dass die Stadt das Gebäude nun möglicherweise zu einem günstigeren Preis erwerbe und die Kirche seiner Familie „nicht besser unter die Arme“ greife. Besonders bedauert Schmidt, dass der Pfarrer seine Familie nicht persönlich besucht und über das Ganze gesprochen habe.

Katholische Kirche: „Keine Stellungnahme“

Die NRWZ hat Pfarrer Christian Albrecht um ein Gespräch zum Thema gebeten. Albrechts Antwort: „Sie haben sicherlich Verständnis, dass wir uns im laufenden Verfahren nicht öffentlich äußern werden. Insbesondere der Schutz der Interessenten liegt uns am Herzen. Insofern können wir zu den von Ihnen geschilderten Sachverhalten keine Stellungnahme abgeben.“

Ortsvorsteher:  „Problem der Stellplätze ist nicht unseres“

Ortsvorsteher Reiner Ullrich hat in einem längeren Telefonat erklärt, er habe keinen direkten Kontakt mit dem privaten Investor gehabt. Der Termin mit der Kirchengemeinde und einem Vermesser habe tatsächlich stattgefunden, er könne sich aber nicht erinnern, dass da noch jemand dabei gewesen sei. Es sei bei diesem Termin tatsächlich um die Abgrenzung des Pfarrhausgrundstücks vom Kirchengrundstück gegangen. Bei der Gelegenheit habe sich herausgestellt, dass die Grundschule am Rand einen Geländestreifen nutzt, der der Kirche gehört. Die Definition des Pfarrhausgrundstücks sei schnell gegangen, so Ullrich. Er habe gewusst, dass die Kirchengemeinde das Gebäude an einen Investor verkaufen möchte.

Beim Verkauf sei ein anderes Problem, nämlich die Stellplatzfrage, aufgekommen. Laut Bauantrag von 1972 muss die Kirchengemeinde eine bestimmte Zahl von Stellplätzen nachweisen. Nach der Grundstücksaufteilung habe die Kirchengemeinde dies mit der Baurechtsbehörde klären müssen. Das sei nicht Sache der Ortsverwaltung, so Ullrich. „Das Stellplatzproblem muss der Grundstückseigentümer klären.“

Die Ortsverwaltung habe sich für das „Alte Pfarrhaus“ erst wieder interessiert, als man erfahren habe, dass der private Interessent abgesprungen sei, versichert Ullrich. „Ich habe Pfarrer Albrecht gefragt, ob das Angebot des privaten Interessenten belastbar ist“, berichtet Ortsvorsteher Ullrich. Die Antwort sei gewesen: „Derzeit nicht.“

Stadtverwaltung: Kauf ist Sache des Ortschaftsrats

Die Stadtverwaltung betont in einer ersten Stellungnahme für die NRWZ, für den möglichen Ankauf des alten Pfarrhauses sei der Ortschaftsrat zuständig: „Wir haben daher mit der Ortsverwaltung Waldmössingen Kontakt aufgenommen. Diese teilt mit, dass sie lediglich von der Kirchengemeinde erfahren habe, dass der Privatkauf nicht zustande komme und das Pfarrhaus zum Kauf zur Verfügung stehe.“  Die Ortsverwaltung kenne den privaten Interessenten nicht und habe auch keinen Kontakt zu ihm gehabt.

Zur umstrittenen Stellplatzfrage erklärt die Baurechtsbehörde, „dass eine Klärung dieser Fragestellung – wie dies in vergleichbaren anderen Fällen ebenfalls praktiziert wurde und wird – auch zeitlich parallel zu Kaufverhandlungen möglich gewesen wäre und somit einem Privatkauf nicht im Weg gestanden hätte.“

Auf einmal: Stellplatzfrage gelöst

Nun hat also der Ortschaftsrat beschlossen, das „Alte Pfarrhaus“ zu kaufen. Die Stellplatzfrage scheint kein Thema mehr zu sein: Auf Nachfrage der NRWZ schreibt Ortsvorsteher Ullrich, die Stellplatzfrage sei eine Angelegenheit der Kirchengemeinde als Eigentümerin des verbleibenden Grundstücks. „Das neue Grundstück ‚altes Pfarrhaus‘ ist davon nicht betroffen und der Kauf wird unabhängig davon vollzogen.“

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