Samstag, 20. April 2024

Schönblick: Schlagabtausch in der Aula

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SCHRAMBERG  (him) –  Hoch her ging es bei der Einwohnerfragestunde zwischen Simone Fader und Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr. Am Donnerstagabend nutzte die Sprecherin der Bürgerinitiative Schönblick (BI) die Gelegenheit, um mit der Stadtverwaltung aber auch dem Gemeinderat hart ins Gericht zu gehen.

Die Sprecherin der BI Schönblick Simone Fader in der Bürgerfragestunde. Foto: him

Fader erinnerte an den Brief der Bürgerinitiative an die Gemeinderätinnen und-Räte und  kündigte eine Reihe von Fragen im Namen einzelner Bürgerinnen und Bürger an. Ihre erste Frage war, weshalb an diesem Abend das Thema Schönblickbebauung nicht-öffentlich besprochen werde. Gegenfrage Eisenlohr: “Woher wissen Sie das?“ – „Das hat mit ein Spatz gepfiffen“, erwiderte  Fader – und bekam prompt die Antwort: „Dann müssen Sie das mit dem Spatz besprechen.“

Wer entscheidet im Rathaus?

Weiter wollte Fader erfahren, weshalb ein eingeschalteter Anwalt innerhalb von zehn Tagen keine Antwort von der Baurechtsbehörde erhalten habe. Das möge sie doch diese direkt fragen. Zu laufenden Baurechtsverfahren könne sie keine Auskunft erteilen, so Eisenlohr.

Wer überhaupt in Baurechtssachen entscheide und Baugenehmigungen ausspreche. Ob das eine Person sei, die die „Macht“ habe, „subjektiv“ entscheide, obwohl er oder sie „noch nie vor Ort“ war, wollte Fader wissen. Eisenlohr versicherte, es werde rechtskonform gearbeitet“. Auch im Baurechtsamt gelte das Mehraugenprinzip.

Was erlaubt der B’plan?

Fader fragte, wie es komme, dass im Bebauungsplan Doppel-, Reihen- und Kettenhäuser vorgeschrieben seien, nun aber Mehrfamilienhäuser kommen sollen. Auch würden Stellplätze fehlen. Eine aufgelockerte Bebauung sei vorgeschrieben. Würde so geplant, so Fader, gäbe es auch keine Abweichung vom Bebauungsplan.

OB Eisenlohr schoss zurück: Sie könne nicht zu „irgendwelchen Zeichnungen, die nicht rechtmäßig an die Öffentlichkeit gelangt sind“, etwas sagen. Eisenlohr erinnerte daran, dass sich Anwohner, die Einblick in die Bauunterlagen erhalten, schriftlich verpflichten, die Vertraulichkeit zu wahren. „Sie haben unterschrieben, dass die Daten bei Ihnen bleiben.“

Zum Bebauungsplan erläuterte Eisenlohr, es sei richtig, dass im Bebauungsplan Doppel-, Ketten- und Reihenhäuser stünde. Der B’plan erlaube aber auch gewisse Befreiungen, etwa bei der Firsthöhe. Das könne die Baurechtsbehörde ihr gerne erklären.

Keine Angst

Ob es eine schriftliche Zusage an den Bauherrn gegeben habe, dass er Mehrfamilienhäuser bauen dürfe, lautete eine weitere Frage der Bürgerinitiative. Und ein anderes Mitglied wollte wissen, weshalb jemand Angst haben müsse, sich zu äußern, wenn er später einen Wunsch an die Stadt habe.

„Das frage ich mich auch“, entgegnete Eisenlohr. Es müsse niemand Angst haben. „Meine Behörde behandelt alle gleich.“

OB Eisenlohr. Foto: him

Erschließungsbeiträge

Die  geplante Erschließung brächte eine Familie in Existenznot, weil sie sehr hohe Erschließungskosten zahlen müsse, ohne davon einen Vorteil zu haben. Es könne sogar sein, dass sie bei einer Erschließung der Schönblickstraße ein zweites Mal zahlen müsse, befürchtete Fader.

Bisher habe es noch keine Erschließungskostenbescheide gegeben, so Eisenlohr. Deshalb  könne man noch gar nicht wissen, wie hoch die sein werden. (Einwurf Fader: „Wir sind nicht blöd, wir können rechnen.“)

Zu den Erschließungskosten gebe es Bundes-, Landes- und kommunale Vorgaben. „Wir müssen diese Gebühren erheben, wenn ein Vorteil entsteht.“ Bisher sei es in Schramberg so, dass man bei einem Eckgrundstück nur einmal zahle. Das sei aber rechtlich umstritten. Sie selbst habe deshalb auf den Kauf eines Eckgrundstücks verzichtet, so Eisenlohr.

„Artfremde Bebauung befremdlich“

Schließlich fragte Fader nach dem Geschichtsbewusstsein von Eisenlohr und wie wichtig ihr dies im Stadtteil Sulgen sei. Eisenlohr erwiderte, die Geschichte sei ihr sehr wichtig. Aber der Bebauungsplan bestehe seit 1999. Es hätte also schon vor 20 Jahren gebaut werden können, Doppel-, Reihen- oder Kettenhäuser oder etwas anderes, was die Befreiung zulässt.

Fader abschließend: „Mein Viertel wird zerstört, und wir werden nicht gehört.“ Eisenlohr beendete den Austausch mit dem Hinweis: „Jetzt sind Sie doch gehört worden.“ Mit Blick auf die von der BI kritisierte Optik, meinte sie, das sei Geschmackssache. Sie habe den Ausdruck „artfremde Bebauung“, den die BI verwendet hatte, „befremdlich“ gefunden.

Info:

Zuständigkeiten

In Schramberg ist allein die Baurechtsbehörde für Baugenehmigungen und entsprechende Befreiungen zuständig. Da Schramberg „Große Kreisstadt“ ist, hat Schramberg ein eigenes Baurechtsamt, eine staatliche, keine städtische Behörde übrigens.

Der Gemeinderat wird laut Hauptsatzung der Stadt an Baugenehmigungen nicht beteiligt. Wenn es Befreiungen geben soll, ist dafür in Schramberg die Oberbürgermeisterin zuständig, die ihr Einvernehmen erteilen muss. In Schramberg ist das delegiert an die Baurechtsbehörde. Erteilt sie dieses nicht, kann eine höhere Verwaltungsbehörde „ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen“.

In den Umlandgemeinden ist das anders. Da können die Gemeinderäte bei Befreiungen mitreden.

Rechte der Nachbarn

Wenn Nachbarn und Anlieger mit Bauplänen nicht einverstanden sind, können sie diese bei einer Anhörung  auf der Baurechtsbehörde vorbringen. Diese entscheidet, ob die Einwände berechtigt sind. Wenn ja, wird es keine Baugenehmigung geben. Befreiungen vom Haustyp kann es geben, wenn trotzdem andere Parameter, wie die Firsthöhe, eingehalten werden.

Wenn die Nachbarn mit der Entscheidung nicht einverstanden sind, können sie dagegen Widerspruch einlegen. Wird dieser vom Regierungspräsidium abgewiesen, können sie beim Verwaltungsgericht klagen.

„Das Ganze ist so kompliziert, dass man Bücher drüber schreiben könnte“, so ein Verwaltungsjurist. Deshalb diese Kurzerklärung bitte nicht auf die Goldwaage legen.

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Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

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