Umwelthilfe und „Fridays for Future“ fordern ultimativ Tempo 100 auf Autobahnen und 30 innerorts

„Baden-Württemberg verstößt gegen Landesklimaschutzgesetz“ – zu dieser Einschätzung kommen die Deutsche Umwelthilfe und „Fridays for Future“. Sie fordern Klimaschutzsofortprogramm. Die Umwelthilfe setzt Kretschmann eine Frist bis zum 8. Juni und droht mit Klage. Teil der Forderungen: Tempo 100 auf allen Autobahnabschnitten und Tempo 80 auf allen Bundes- und Landstraßen als landesweiter Modellversuch sowie Tempo 30 innerorts. Auch die Gäubahn Stuttgart-Singen ist weiter Thema.
- Deutsche Umwelthilfe und Fridays for Future Baden-Württemberg fordern nach eigenen Angaben von der Landesregierung Baden-Württembergs die Einhaltung des Landesklimaschutzgesetzes und umgehenden Beschluss zusätzlicher Klimaschutzmaßnahmen.
- Projektionsbericht des Landes zeigt: Klimaziel 2030 wird um 17 Prozent verfehlt – ein Klimaschutzsofortprogramm ist daher gesetzlich vorgeschrieben.
- DUH will notfalls durch eine Klimaklage wirksame Maßnahmen durchsetzen, die das Land ergreifen kann, wie eine energetische Sanierung von Schulen und Kindergärten, den Erhalt des Kopfbahnhofs Stuttgart und die Anbindung der Gäubahn sowie ein Tempolimit.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Fridays for Future Baden-Württemberg fordern von der Landesregierung Baden-Württembergs den umgehenden Beschluss eines Klimaschutzsofortprogramms, um die gesetzlichen Klimaziele des Landes zu erfüllen. Laut Projektionsbericht des Landes wird das für 2030 festgelegte Klimaziel um 17 Prozent verfehlt. Für diesen nun eingetretenen Fall schreibt das Klimaschutzgesetz den Beschluss eines Klimaschutzsofortprogramms vor – dem ist Baden-Württemberg bislang nicht nachgekommen. Die DUH will eine Klimaklage einreichen, sollte die Landesregierung bis zum 8. Juni untätig bleiben.
Auch der Rottweiler Landtagsabgeordnete der FDP, Daniel Karrais, macht der Landesregierung nach Kräften Druck. In einem Antrag aus dem April 2025 will er etwa wissen, ob die Landesregierung bereits an einem Kabinettsbeschluss arbeitet, der die Verabschiedung eines solchen Klimaschutz-Sofortprogramms vorsieht. Der Abgeordnete möchte auch wissen, wie die Landesregierung „die fortbestehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen grün- und CDU-geführten Ministerien über die Notwendigkeit eines Klimaschutz-Sofortprogramms zu klären gedenkt, das vom Klima-Sachverständigenrat aufgrund der erheblichen Verfehlung der Klimaziele eingefordert wurde.“
Mitte Mai erhielt Karrais Antwort: „Die Abstimmungen zwischen den Ressorts über den Umgang mit dem Klimaschutz- und Projektionsbericht laufen derzeit noch“, so das das Ministerium
für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium
für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, dem Ministerium für Verkehr, dem Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und dem Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen. Den Abstimmungen könne nicht vorgegriffen werden, weswegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine weiteren Aussagen zu den von Karrais aufgeworfenen Fragen getroffen werden könnten. Allgemein heißt es in dem Antwortschreiben: „Um die Klimaschutzaktivitäten der Landesregierung zu bündeln und mögliche Synergien frühzeitig identifizieren zu können, wurden eine Reihe von Instrumenten
und Gremien eingerichtet. Im Vordergrund stand dabei stets die Erhöhung der
Umsetzungsgeschwindigkeit von Maßnahmen zur Emissionsvermeidung beziehungsweise -minderung, die im Klimaschutz nach wie vor geboten ist.“ Es gebe ressortübergreifende Arbeitsgruppen, um die Umsetzungsgeschwindigkeit zu erhöhen und Synergien zu schaffen. Beispielhaft wird auf die Task Force zur Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien, die Modellregion AgriPV Baden-Württemberg und die Moorschutz-AG verwiesen. Karrais hatte eigentlich konkrete Angaben erwartet.
Jürgen Resch, der Bundesgeschäftsführer der DUH, reagiert nun wie folgt: „Wir nehmen nicht hin, dass die von Ministerpräsident Kretschmann geführte grün-schwarze Landesregierung nicht nur ihre eigenen Klimaziele verfehlen wird, sondern sich zudem weigert, die für diesen Fall gesetzlich vorgeschriebenen notwendigen Klimaschutzmaßnahmen zur Einhaltung dieser Klimaziele zu beschließen.“ Die DUH wolle Kretschmann eine letzte Frist von zehn Tagen setzen, ein Klimaschutzsofortprogramm zu beschließen. „Andernfalls werden wir erneut die Landesregierung mit einer Klimaklage dazu zwingen“, kündigt Resch an. Als wirksame Maßnahme wird unter anderem der Erhalt des Kopfbahnhofs zusätzlich zur Inbetriebnahme von S21 gefordert, dadurch die Verhinderung einer langjährigen oder dauerhaften Unterbrechung aller Bahnverkehre von Stuttgart über die Gäubahn nach Singen, Zürich und Mailand und schließlich – nach Bremer Beispiel – Tempo 100 auf allen Autobahnabschnitten und Tempo 80 auf allen Bundes- und Landstraßen als landesweiten Modellversuch sowie Tempo 30 innerorts.“
Besonders im Verkehrssektor ist laut DUH eine drastische Zielverfehlung im Jahr 2030 zu erwarten, sollte nicht umgehend nachgesteuert werden. Stand heute würde das Ziel des Verkehrssektors von neun Millionen Tonnen CO₂ im Jahr 2030 um 50 Prozent überschritten werden, rechnet der Verband vor. Auch die vorgeschriebene Klimaneutralität bis 2040 werde in allen Sektoren deutlich verfehlt.
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH vertritt, ergänzt:
Zum Schutz zukünftiger Generationen sind die dafür notwendigen Klimaschutzmaßnahmen zu beschließen. Baden-Württemberg muss dabei dasjenige tun, was in seiner Macht steht. Es ist für den Klimaschutz und auch aus rechtsstaatlicher Perspektive zwingend notwendig, dass die gesetzlichen Regeln, die für den Klimaschutz gelten, eingehalten werden. Wir haben die Landesregierung aufgefordert, bis zum 8. Juni ein Klimaschutzsofortprogramm zu beschließen – ansonsten klagen wir vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg.“
Bereits im April hatte Fridays for Future mit einem breiten Bündnis in einem Offenen Brief an Ministerpräsident Kretschmann und die Landesregierung ein umfassendes Sofortprogramm gefordert. Die DUH hatte sich diesem Brief angeschlossen.
Paula Kanzleiter, Fridays for Future Baden-Württemberg, ergänzt:
Konsequente Klimaziele sind die Garantie, dass unsere Lebensgrundlagen geschützt werden. Eine Politik, die sie ignoriert, bringt die soziale Sicherheit und unsere Zukunft ins Wanken. Millionen junger Menschen in Baden-Württemberg haben das Recht darauf, von ihrer Landesregierung vor der eskalierenden Klimakrise geschützt zu werden. Wenn die Landesregierung weiter untätig bleibt, verspielt sie nicht nur ihre Glaubwürdigkeit, sondern gefährdet das Leben kommender Generationen. Baden-Württemberg hat die Verantwortung und die Mittel, sein Klimaschutzgesetz einzuhalten – doch dafür braucht es jetzt ein wirksames Klimaschutzsofortprogramm.“