Bürgermedaille verliehen: Einer Trägerin schien’s zunächst zu viel der Ehre

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ROTTWEIL. Zwei verdiente Bürgerinnen und ein ebenso verdienter Bürger der Stadt haben am Sonntag, anlässlich des Neujahrsempfangs, die Bürgermedaille aus den Händen von Oberbürgermeister Dr. Christian Ruf erhalten. Es gehöre zu den schönsten Aufgaben im Rahmen seines Amtes. Einer der Geehrten schien die Auszeichnung, wie Ruf berichtete, zunächst zu viel der Ehre. Dann entschied sie sich dafür, die Medaille anzunehmen – „stellvertretend für alle anderen, die in der Stadt ehrenamtlich tätig sind“, wie sie sagte.

Bärbel Strenge, Gabi Schwarz und Günter Posselt, heißen die nunmehr Geehrten. Ihnen die Bürgermedaille der Stadt zu überreichen – die manch ein früherer Empfänger dem Vernehmen als höchste Auszeichnung empfindet, dem Bundesverdienstkreuz gar vorzieht -, ihnen diese Medaille zu überreichen hat der Gemeinderat der Stadt entschieden. Die Aufgabe selbst kam OB Ruf zu.

Es handele sich bei diesen Menschen, und bei den Trägern der Bürgermedaille der Stadt überhaupt, um „Persönlichkeiten, die sich überdurchschnittlich und über sehr viele Jahre ehrenamtlich engagiert haben“, sagte Ruf. Nach einer Erhebung des Bundesinnenministeriums setzten sich in Deutschland rund 29 Millionen Menschen freiwillig und unentgeltlich für das Gemeinwohl ein. Neben der wirtschaftlichen Kraft und der Qualität der Gesundheits- und Sozialversorgung gehörten zur Stärke eines Landes auch das gesellschaftliche Klima, der Zusammenhalt, demokratische Werte sowie ehrenamtliches Engagement, sagte der Oberbürgermeister. „Eine starke Demokratie lebt von aktiven Bürgerinnen und Bürgern, die im Sinne des Gemeinwohls mitgestalten. Im Ehrenamt in Vereinen, Initiativen und Projekten wird im Kleinen geübt, was im Großen das demokratische Gemeinwesen trägt: Gemeinsame Ziele auf Grundlage demokratischer Regeln und Prozesse zu erreichen. Insofern ist das Ehrenamt Motor und Rückgrat unserer Demokratie“, so Ruf.

Der neu gewählte OB der Stadt Rottweil hatte ausgiebiges Lob für das Ehrenamt auch in seine Neujahrsrede eingeflochten, über die wir an anderer Stelle berichten.

Jedenfalls habe das Engagement in Rottweil viele Gesichter, drei davon sollten nunmehr besonders hervorgehoben und mit der Bürgermedaille ausgezeichnet werden.

Bildergalerie

Fotos: Thomas Decker

Die Rede Dr. Rufs im Wortlaut

Wir bringen Rufs Laudatio auf die drei Empfänger der Bürgermedaille im Wortlaut. Bei der Verleihung wählte der OB die alphabetische Reihenfolge.

Meine Damen und Herren,

der Gemeinderat der Stadt Rottweil hat beschlossen, die Bürgermedaille für kommunalpolitisches, soziales, kulturelles, sportliches und wissenschaftliches Wirken für das Wohl der Rottweiler Bürgerschaft gemäß der Ehrungsrichtlinien zu verleihen an Herrn Günter Posselt (*1965) für die ehrenamtliche Tätigkeit im Gemeinderat und die Unterstützung des Zimmertheaters und des Vereins Kunstdünger.

Dr. Ruf (links) und Günter Posselt. Foto: Thomas Decker

Sehr geehrter Herr Posselt,

beginnen wir mit dem Verein Kunstdünger, der 2002 von Ihnen – quasi in Ihrem Wohnzimmer – mitgegründet wurde. Bei der Eröffnungsrede wurde erwähnt, dass drei Schritte notwendig seien, um sich einem bildenden Kunstwerk zu nähern. Nämlich das „Ansehen – Hinsehen – und Hineinsehen“. Wenn wir also Sie heute Ansehen und Hinsehen, was Sie für die Stadt Rottweil geleistet haben, so sehen wir auch gleichzeitig hinein – welch ein Werk Sie geschaffen haben.
Sie sind im Spital geboren, in Hausen aufgewachsen und gingen hier zur Schule. Nach dem Abitur am Leibniz Gymnasium studierten Sie in Konstanz Rechtswissenschaften und leisteten Ihren juristischen Vorbereitungsdienst. Nach den erfolgreichen Staatsexamina absolvierten Sie im Laufe der Zeit einen Masterstudiengang im Europarecht, tragen den Titel eines akademischen Europarechtsexperten und schließlich den Master of Laws.
Ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erhielten Sie 1994, an Ihrem 29. Geburtstag, später kamen noch Fachanwaltsqualifikationen im „Bau und Architektenrecht und im „Steuerrecht“ hinzu. Von Anfang an sind Sie in Rottweil als Anwalt tätig und begannen lediglich 5 Jahre später 1999 als Mitglied des Gemeinderats Rottweil Ihr ehrenamtliches Engagement.

Zuvor waren Sie bereits als junger Handballer und als Akkordeonspieler im Vereinsleben aktiv. Mit dem Wechsel zum TSV Rottweil kamen Sie mit weiteren Wegbegleitern in Kontakt. Ihre sportlichen Leistungen konnten sich durchaus sehen lassen, Sie haben mit Ihren Kameraden einige nennenswerte Titel errungen. Miteinander und Füreinander, dieses Motto galt für Sie nicht nur auf dem Sportplatz. Sie setzten es später auch in der Gremienarbeit des Gemeinderats fort. Über 22 Jahre haben Sie hier die Entwicklung der Stadt mitgestaltet. In dieser Zeit waren Sie:

  • Vorsitzender Ihrer Fraktion,
  • Stellvertreter des Oberbürgermeisters
  • Mitglied im Aufsichtsrat der ENRW,
  • in zahlreichen Ausschüssen, Stiftungen und bei allen wichtigen Sitzungen,
    Runden Tischen, Workshops und Aktionen mit großem Engagement vertreten.
    Die Stadt hat von Ihrer herausragenden fachlichen Kompetenz und Ihrem Wissen profitiert, das Sie sich als Jurist und aufgrund Ihrer jahrelangen kommunalpolitischen Erfahrung angeeignet haben. Auch die Themen Beruf, Familie und Kinder lagen Ihnen stets am Herzen. Ihre Eltern, Ihre Familie, Ihre Ehefrau und Ihre beiden Kinder sind Ihnen sehr wichtig. Einen besonderen Gruß an dieser Stelle an Ihre Familie.

Eine weitere Besonderheit sei an dieser Stelle ebenfalls erwähnt: Sie waren Gründungsmitglied des Vereins Zimmertheater Rottweil. Ohne diesen Status bekäme das Theater heute deutlich weniger Fördermittel. Ganze 10 Jahre waren Sie dort Mitglied im Vorstand.

Eines war Ihnen immer wichtig: Sie wollten nie – und davor habe ich höchsten Respekt – den richtigen Zeitpunkt verpassen, Abschied zu nehmen. Das Bedauern sollte stets über der Erleichterung stehen, wenn Sie eine Aufgabe abgeben.

Sehr geehrter Herr Posselt, wir bedauern das Ende Ihrer Arbeit im Gemeinderat sehr. Wünschen Ihnen jedoch weiterhin gutes Gelingen in Allem und eine stabile Gesundheit. Mögen Sie als freiheitsliebender Mensch sich nur durch eines eingeschränkt fühlen – nämlich die Zwei-Meter-Regel beim Mountainbiken.
Ich danke Ihnen im Namen der Stadt Rottweil und des Gemeinderates für Ihr großes Engagement in unserer Stadt und freue mich, Ihnen die Bürgermedaille der Stadt verleihen zu dürfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

nun ist es mir eine große Freude und Ehre, die Bürgermedaille gemäß den Ehrungsrichtlinien verliehen zu dürfen an: Frau Gabi Schwarz (*1948) für die Arbeit beim Zimmertheater und der Kulturszene in Rottweil.

Gabriele Schwarz und OB Ruf. Foto: Thomas Decker

Sehr geehrter Frau Schwarz,

als ich letzten Monat bei Ihnen anrief, um Ihnen die Nachricht über die heutige Verleihung zu überbringen, da baten Sie mich um einen Tag Bedenkzeit. Bedenkzeit, die Sie sich nahmen, weil Ihnen die Auszeichnung zu viel der Ehre erschien. Sehr erleichtert war ich am nächsten Tag, als Sie mich kontaktierten, Ihre Teilnahme am Bürgerempfang bestätigten und mir sagten, dass Sie die Auszeichnung entgegennehmen. Ihnen war es aber wichtig, weniger selbst im Mittelpunkt zu stehen, vielmehr wollen Sie als Beispiel für andere gelten. Dass Ihr Werk und Ihr Engagement gesehen und gewürdigt werden kann, dies sollte noch mehr Menschen motivieren.

Diese Denkweise zeigt schon eine Ihrer herausragenden Eigenschaften, die im Ehrenamt so wichtig ist – das Netzwerken. Ein Mensch alleine kann schon helfen und Gutes tun, doch Gemeinsamkeit macht stark.

Sich stark machen beim Helfen war für Sie selbstverständlich. Dies haben Sie bereits bei Ihrer Mutter gelernt, die zusätzlich zu ihrer Arbeit als sogenannte „grüne Schwester“ tätig war. Denn nicht alles konnte damals durch Ärzte und Krankenschwestern abgedeckt werden.

Gebürtig aus Tübingen, zog es Sie mit Ihrer Familie, dem Mann und Ihren beiden Kindern, nach Rottweil. Und seitdem sagen Sie: „Ich habe für diese Stadt sehr viel übrig. Sie ist mir zur Heimat geworden und es macht mir Freude, mich für die Stadt und die Menschen hier einzubringen.“

Die Palette Ihres ehrenamtlichen Engagements ist bunt und facettenreich. Natürlich wäre da als erstes die Kulturszene zu nennen, die Sie selbst als Ihre Wohlfühlzone bezeichnen. Dazu zählt die Arbeit im Zimmertheater und bei kulturottweil. Darüber hinaus bieten Sie Führungen bei der Kunststiftung Hauser oder auch bei der Lorenzkapelle an.

Sie engagieren sich für Jung und Alt, in dem Sie zum Beispiel in der Konrad-Witz-Schule die Kinderbetreuung unterstützen und bei der Volkshochschule einen Kurs leiten mit dem Titel „Neugierige Frauen“. Hier organisieren Sie Ausflüge mit interessantem Inhalt für die etwas ältere Generation. Auch aus einem Ihrer Hobbys haben Sie ein Ehrenamt abgeleitet, indem Sie regelmäßig eine Mahlzeit in der Wärmestube Rottweil kochen. Genauso sind Sie bei der Aktion eine Welt aktiv. Als Mitglied im Verein der ehemaligen Synagoge oder auch bei der Initiative Gedenkstätte Eckerwald sind Ihnen diese Themen sehr wichtig.

Auf die Frage, wie es zu dieser Vielfalt kam, haben Sie geantwortet: „Weil ich von Haus aus neugierig bin.“ Sie wollten schon immer über den Tellerrand hinausblicken, immer wieder Neues kennenlernen. Beispielsweise als Vorsitzende der Elternsprecher im Bereich der Schule, wo Sie die Rolle der Lehrer sahen und verstehen konnten. Als Schöffin bei Gericht und auch als Bewährungshelferin konnten Sie Menschlichkeit und Nächstenliebe in einem häufig schwierigen Umfeld zeigen.

Allein schon bei der Aufzählung könnte man den Überblick verlieren. Aber Sie, liebe Frau Schwarz, haben uns Ihr Geheimnis verraten. Sie sind ein Organisationstalent, das saubere Strukturen sehr schätzt. Sie fühlen sich gesegnet durch eine stabile Gesundheit, und die Arbeit mit und für Menschen bereitet Ihnen eine große Freude. Auch wenn nicht alle Ihre Liebsten heute hier anwesend sein können, so bin ich überzeugt, sie alle sind sehr stolz auf Sie.
Wertschätzung weitergeben ist Ihnen ein Bedürfnis und deshalb freut es mich sehr, Ihnen heute die Wertschätzung unserer Stadt zu erweisen.
Ich danke Ihnen im Namen der Stadt Rottweil und des Gemeinderates für Ihr großes Engagement in unserer Stadt und freue mich, Ihnen die Bürgermedaille der Stadt verleihen zu dürfen.

Nun kommen wir zur dritten Auszeichnung am heutigen Abend. Es ist mir eine Freude, die Bürgermedaille gemäß den Ehrungsrichtlinien verliehen zu dürfen an: Frau Bärbel Strenge (*1935) für über 40 Jahre Betreuung der Mitarbeiter und Bewohner des Sozialen Zentrums Spittelmühle, wo Sie täglich die Mahlzeiten kochten.

Bärbel Strenge und Dr. Ruf. Foto: Thomas Decker

Liebe Frau Strenge,

über 40 Jahre, das ist länger, als ich auf der Welt bin. Man könnte sagen, es ist ein halbes Leben. So lange haben Sie die Menschen, ob Mitarbeiter oder Bewohner der Spittelmühle, liebevoll bekocht und mit Ihrem einzigartigen Wesen das Leben der Spittelmühle bereichert. Die Spittelmühle Rottweil ist eine Einrichtung der AWO und hat ihren Sitz heute im Neckartal. Hier findet die Arbeit von und mit wohnungslosen Menschen statt.

Im Jahr 1974 haben Sie diese Aufgabe übernommen. Die Räume der Einrichtung, damals war es nur ein Zimmer um dort zu übernachten, befanden sich in der Bruderschaftsgasse. Später zog die Einrichtung in den Sonnensaal um, bis sie in den frühen 90er Jahren in der Spittelmühle im Neckartal eine dauerhafte Bleibe fand. Und obwohl sie als Frau die meiste Zeit alleine dort tätig waren und Sie es vielfach mit schwierigen Charakteren zu tun hatten, haben Sie niemals an der Sinnhaftigkeit Ihrer Arbeit gezweifelt oder diese in Frage gestellt. Im Gegenteil, Sie haben diese immer mit sehr viel Freude ausgeführt.

„Nicht einfach“ hatten Sie es selbst im Leben. 1935 in Schlesien geboren, haben Sie etwas durchlebt, was die meisten von uns nur aus den Geschichtsbüchern kennen. Krieg war für viele bis vor einem Jahr etwas weit entferntes. Die Bilder, die uns aktuell aus der Ukraine erreichen, rufen bei Ihnen schlimme Erinnerungen wach. Mit dem Tod von drei Ihrer acht Kinder mussten Sie schwere Schicksalsschläge bewältigen. Selbst in persönlich schwierigen Lebenslagen haben Sie nie die Hilfsbereitschaft für Schwächere aus den Augen verloren.

Wer rastet, der rostet – das war stets Ihr Motto. Und so war es für Sie selbstverständlich, Ihren Mitmenschen als Köchin, Heimleiterin, Kollegin immer ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Sie hatten für die Bewohner der Spittelmühle stets ein offenes Ohr. Kochten für sie täglich eine Mahlzeit, backten ihnen einen Geburtstagskuchen – und das alles, obwohl Sie das Rentenalter längst erreicht hatten.

Auch beim Nachmittagscafé der AWO halfen Sie regelmäßig aus und betreuten ehrenamtlich das Alte Spital Café. Jedes Jahr drei Wochen vor Weihnachten wurde Ihre Küche zuhause zur großen Backstube für Weihnachtsbrötle umfunktioniert, damit alle um Sie herum diese besinnliche Zeit genießen konnten.
Leider wurde Ihr Tatendrang im Alter von 79 Jahren durch eine schwere Erkrankung jäh gebremst. Im wahrsten Sinne des Wortes „schweren Herzens“ mussten Sie kürzertreten, und auch heute schränkt Ihre Gesundheit Ihren Bewegungsradius etwas ein. Deshalb komme ich gerne zu Ihnen in den Saal, um Ihnen die Bürgermedaille zu überreichen.

Sehr geehrte Frau Strenge, ich danke Ihnen im Namen der Stadt Rottweil und des Gemeinderates für Ihr großes Engagement in unserer Stadt und freue mich, Ihnen die Bürgermedaille der Stadt verleihen zu dürfen.

Das interessiert diese Woche



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ROTTWEIL. Zwei verdiente Bürgerinnen und ein ebenso verdienter Bürger der Stadt haben am Sonntag, anlässlich des Neujahrsempfangs, die Bürgermedaille aus den Händen von Oberbürgermeister Dr. Christian Ruf erhalten. Es gehöre zu den schönsten Aufgaben im Rahmen seines Amtes. Einer der Geehrten schien die Auszeichnung, wie Ruf berichtete, zunächst zu viel der Ehre. Dann entschied sie sich dafür, die Medaille anzunehmen – „stellvertretend für alle anderen, die in der Stadt ehrenamtlich tätig sind“, wie sie sagte.

Bärbel Strenge, Gabi Schwarz und Günter Posselt, heißen die nunmehr Geehrten. Ihnen die Bürgermedaille der Stadt zu überreichen – die manch ein früherer Empfänger dem Vernehmen als höchste Auszeichnung empfindet, dem Bundesverdienstkreuz gar vorzieht -, ihnen diese Medaille zu überreichen hat der Gemeinderat der Stadt entschieden. Die Aufgabe selbst kam OB Ruf zu.

Es handele sich bei diesen Menschen, und bei den Trägern der Bürgermedaille der Stadt überhaupt, um „Persönlichkeiten, die sich überdurchschnittlich und über sehr viele Jahre ehrenamtlich engagiert haben“, sagte Ruf. Nach einer Erhebung des Bundesinnenministeriums setzten sich in Deutschland rund 29 Millionen Menschen freiwillig und unentgeltlich für das Gemeinwohl ein. Neben der wirtschaftlichen Kraft und der Qualität der Gesundheits- und Sozialversorgung gehörten zur Stärke eines Landes auch das gesellschaftliche Klima, der Zusammenhalt, demokratische Werte sowie ehrenamtliches Engagement, sagte der Oberbürgermeister. „Eine starke Demokratie lebt von aktiven Bürgerinnen und Bürgern, die im Sinne des Gemeinwohls mitgestalten. Im Ehrenamt in Vereinen, Initiativen und Projekten wird im Kleinen geübt, was im Großen das demokratische Gemeinwesen trägt: Gemeinsame Ziele auf Grundlage demokratischer Regeln und Prozesse zu erreichen. Insofern ist das Ehrenamt Motor und Rückgrat unserer Demokratie“, so Ruf.

Der neu gewählte OB der Stadt Rottweil hatte ausgiebiges Lob für das Ehrenamt auch in seine Neujahrsrede eingeflochten, über die wir an anderer Stelle berichten.

Jedenfalls habe das Engagement in Rottweil viele Gesichter, drei davon sollten nunmehr besonders hervorgehoben und mit der Bürgermedaille ausgezeichnet werden.

Bildergalerie

Fotos: Thomas Decker

Die Rede Dr. Rufs im Wortlaut

Wir bringen Rufs Laudatio auf die drei Empfänger der Bürgermedaille im Wortlaut. Bei der Verleihung wählte der OB die alphabetische Reihenfolge.

Meine Damen und Herren,

der Gemeinderat der Stadt Rottweil hat beschlossen, die Bürgermedaille für kommunalpolitisches, soziales, kulturelles, sportliches und wissenschaftliches Wirken für das Wohl der Rottweiler Bürgerschaft gemäß der Ehrungsrichtlinien zu verleihen an Herrn Günter Posselt (*1965) für die ehrenamtliche Tätigkeit im Gemeinderat und die Unterstützung des Zimmertheaters und des Vereins Kunstdünger.

Dr. Ruf (links) und Günter Posselt. Foto: Thomas Decker

Sehr geehrter Herr Posselt,

beginnen wir mit dem Verein Kunstdünger, der 2002 von Ihnen – quasi in Ihrem Wohnzimmer – mitgegründet wurde. Bei der Eröffnungsrede wurde erwähnt, dass drei Schritte notwendig seien, um sich einem bildenden Kunstwerk zu nähern. Nämlich das „Ansehen – Hinsehen – und Hineinsehen“. Wenn wir also Sie heute Ansehen und Hinsehen, was Sie für die Stadt Rottweil geleistet haben, so sehen wir auch gleichzeitig hinein – welch ein Werk Sie geschaffen haben.
Sie sind im Spital geboren, in Hausen aufgewachsen und gingen hier zur Schule. Nach dem Abitur am Leibniz Gymnasium studierten Sie in Konstanz Rechtswissenschaften und leisteten Ihren juristischen Vorbereitungsdienst. Nach den erfolgreichen Staatsexamina absolvierten Sie im Laufe der Zeit einen Masterstudiengang im Europarecht, tragen den Titel eines akademischen Europarechtsexperten und schließlich den Master of Laws.
Ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erhielten Sie 1994, an Ihrem 29. Geburtstag, später kamen noch Fachanwaltsqualifikationen im „Bau und Architektenrecht und im „Steuerrecht“ hinzu. Von Anfang an sind Sie in Rottweil als Anwalt tätig und begannen lediglich 5 Jahre später 1999 als Mitglied des Gemeinderats Rottweil Ihr ehrenamtliches Engagement.

Zuvor waren Sie bereits als junger Handballer und als Akkordeonspieler im Vereinsleben aktiv. Mit dem Wechsel zum TSV Rottweil kamen Sie mit weiteren Wegbegleitern in Kontakt. Ihre sportlichen Leistungen konnten sich durchaus sehen lassen, Sie haben mit Ihren Kameraden einige nennenswerte Titel errungen. Miteinander und Füreinander, dieses Motto galt für Sie nicht nur auf dem Sportplatz. Sie setzten es später auch in der Gremienarbeit des Gemeinderats fort. Über 22 Jahre haben Sie hier die Entwicklung der Stadt mitgestaltet. In dieser Zeit waren Sie:

  • Vorsitzender Ihrer Fraktion,
  • Stellvertreter des Oberbürgermeisters
  • Mitglied im Aufsichtsrat der ENRW,
  • in zahlreichen Ausschüssen, Stiftungen und bei allen wichtigen Sitzungen,
    Runden Tischen, Workshops und Aktionen mit großem Engagement vertreten.
    Die Stadt hat von Ihrer herausragenden fachlichen Kompetenz und Ihrem Wissen profitiert, das Sie sich als Jurist und aufgrund Ihrer jahrelangen kommunalpolitischen Erfahrung angeeignet haben. Auch die Themen Beruf, Familie und Kinder lagen Ihnen stets am Herzen. Ihre Eltern, Ihre Familie, Ihre Ehefrau und Ihre beiden Kinder sind Ihnen sehr wichtig. Einen besonderen Gruß an dieser Stelle an Ihre Familie.

Eine weitere Besonderheit sei an dieser Stelle ebenfalls erwähnt: Sie waren Gründungsmitglied des Vereins Zimmertheater Rottweil. Ohne diesen Status bekäme das Theater heute deutlich weniger Fördermittel. Ganze 10 Jahre waren Sie dort Mitglied im Vorstand.

Eines war Ihnen immer wichtig: Sie wollten nie – und davor habe ich höchsten Respekt – den richtigen Zeitpunkt verpassen, Abschied zu nehmen. Das Bedauern sollte stets über der Erleichterung stehen, wenn Sie eine Aufgabe abgeben.

Sehr geehrter Herr Posselt, wir bedauern das Ende Ihrer Arbeit im Gemeinderat sehr. Wünschen Ihnen jedoch weiterhin gutes Gelingen in Allem und eine stabile Gesundheit. Mögen Sie als freiheitsliebender Mensch sich nur durch eines eingeschränkt fühlen – nämlich die Zwei-Meter-Regel beim Mountainbiken.
Ich danke Ihnen im Namen der Stadt Rottweil und des Gemeinderates für Ihr großes Engagement in unserer Stadt und freue mich, Ihnen die Bürgermedaille der Stadt verleihen zu dürfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

nun ist es mir eine große Freude und Ehre, die Bürgermedaille gemäß den Ehrungsrichtlinien verliehen zu dürfen an: Frau Gabi Schwarz (*1948) für die Arbeit beim Zimmertheater und der Kulturszene in Rottweil.

Gabriele Schwarz und OB Ruf. Foto: Thomas Decker

Sehr geehrter Frau Schwarz,

als ich letzten Monat bei Ihnen anrief, um Ihnen die Nachricht über die heutige Verleihung zu überbringen, da baten Sie mich um einen Tag Bedenkzeit. Bedenkzeit, die Sie sich nahmen, weil Ihnen die Auszeichnung zu viel der Ehre erschien. Sehr erleichtert war ich am nächsten Tag, als Sie mich kontaktierten, Ihre Teilnahme am Bürgerempfang bestätigten und mir sagten, dass Sie die Auszeichnung entgegennehmen. Ihnen war es aber wichtig, weniger selbst im Mittelpunkt zu stehen, vielmehr wollen Sie als Beispiel für andere gelten. Dass Ihr Werk und Ihr Engagement gesehen und gewürdigt werden kann, dies sollte noch mehr Menschen motivieren.

Diese Denkweise zeigt schon eine Ihrer herausragenden Eigenschaften, die im Ehrenamt so wichtig ist – das Netzwerken. Ein Mensch alleine kann schon helfen und Gutes tun, doch Gemeinsamkeit macht stark.

Sich stark machen beim Helfen war für Sie selbstverständlich. Dies haben Sie bereits bei Ihrer Mutter gelernt, die zusätzlich zu ihrer Arbeit als sogenannte „grüne Schwester“ tätig war. Denn nicht alles konnte damals durch Ärzte und Krankenschwestern abgedeckt werden.

Gebürtig aus Tübingen, zog es Sie mit Ihrer Familie, dem Mann und Ihren beiden Kindern, nach Rottweil. Und seitdem sagen Sie: „Ich habe für diese Stadt sehr viel übrig. Sie ist mir zur Heimat geworden und es macht mir Freude, mich für die Stadt und die Menschen hier einzubringen.“

Die Palette Ihres ehrenamtlichen Engagements ist bunt und facettenreich. Natürlich wäre da als erstes die Kulturszene zu nennen, die Sie selbst als Ihre Wohlfühlzone bezeichnen. Dazu zählt die Arbeit im Zimmertheater und bei kulturottweil. Darüber hinaus bieten Sie Führungen bei der Kunststiftung Hauser oder auch bei der Lorenzkapelle an.

Sie engagieren sich für Jung und Alt, in dem Sie zum Beispiel in der Konrad-Witz-Schule die Kinderbetreuung unterstützen und bei der Volkshochschule einen Kurs leiten mit dem Titel „Neugierige Frauen“. Hier organisieren Sie Ausflüge mit interessantem Inhalt für die etwas ältere Generation. Auch aus einem Ihrer Hobbys haben Sie ein Ehrenamt abgeleitet, indem Sie regelmäßig eine Mahlzeit in der Wärmestube Rottweil kochen. Genauso sind Sie bei der Aktion eine Welt aktiv. Als Mitglied im Verein der ehemaligen Synagoge oder auch bei der Initiative Gedenkstätte Eckerwald sind Ihnen diese Themen sehr wichtig.

Auf die Frage, wie es zu dieser Vielfalt kam, haben Sie geantwortet: „Weil ich von Haus aus neugierig bin.“ Sie wollten schon immer über den Tellerrand hinausblicken, immer wieder Neues kennenlernen. Beispielsweise als Vorsitzende der Elternsprecher im Bereich der Schule, wo Sie die Rolle der Lehrer sahen und verstehen konnten. Als Schöffin bei Gericht und auch als Bewährungshelferin konnten Sie Menschlichkeit und Nächstenliebe in einem häufig schwierigen Umfeld zeigen.

Allein schon bei der Aufzählung könnte man den Überblick verlieren. Aber Sie, liebe Frau Schwarz, haben uns Ihr Geheimnis verraten. Sie sind ein Organisationstalent, das saubere Strukturen sehr schätzt. Sie fühlen sich gesegnet durch eine stabile Gesundheit, und die Arbeit mit und für Menschen bereitet Ihnen eine große Freude. Auch wenn nicht alle Ihre Liebsten heute hier anwesend sein können, so bin ich überzeugt, sie alle sind sehr stolz auf Sie.
Wertschätzung weitergeben ist Ihnen ein Bedürfnis und deshalb freut es mich sehr, Ihnen heute die Wertschätzung unserer Stadt zu erweisen.
Ich danke Ihnen im Namen der Stadt Rottweil und des Gemeinderates für Ihr großes Engagement in unserer Stadt und freue mich, Ihnen die Bürgermedaille der Stadt verleihen zu dürfen.

Nun kommen wir zur dritten Auszeichnung am heutigen Abend. Es ist mir eine Freude, die Bürgermedaille gemäß den Ehrungsrichtlinien verliehen zu dürfen an: Frau Bärbel Strenge (*1935) für über 40 Jahre Betreuung der Mitarbeiter und Bewohner des Sozialen Zentrums Spittelmühle, wo Sie täglich die Mahlzeiten kochten.

Bärbel Strenge und Dr. Ruf. Foto: Thomas Decker

Liebe Frau Strenge,

über 40 Jahre, das ist länger, als ich auf der Welt bin. Man könnte sagen, es ist ein halbes Leben. So lange haben Sie die Menschen, ob Mitarbeiter oder Bewohner der Spittelmühle, liebevoll bekocht und mit Ihrem einzigartigen Wesen das Leben der Spittelmühle bereichert. Die Spittelmühle Rottweil ist eine Einrichtung der AWO und hat ihren Sitz heute im Neckartal. Hier findet die Arbeit von und mit wohnungslosen Menschen statt.

Im Jahr 1974 haben Sie diese Aufgabe übernommen. Die Räume der Einrichtung, damals war es nur ein Zimmer um dort zu übernachten, befanden sich in der Bruderschaftsgasse. Später zog die Einrichtung in den Sonnensaal um, bis sie in den frühen 90er Jahren in der Spittelmühle im Neckartal eine dauerhafte Bleibe fand. Und obwohl sie als Frau die meiste Zeit alleine dort tätig waren und Sie es vielfach mit schwierigen Charakteren zu tun hatten, haben Sie niemals an der Sinnhaftigkeit Ihrer Arbeit gezweifelt oder diese in Frage gestellt. Im Gegenteil, Sie haben diese immer mit sehr viel Freude ausgeführt.

„Nicht einfach“ hatten Sie es selbst im Leben. 1935 in Schlesien geboren, haben Sie etwas durchlebt, was die meisten von uns nur aus den Geschichtsbüchern kennen. Krieg war für viele bis vor einem Jahr etwas weit entferntes. Die Bilder, die uns aktuell aus der Ukraine erreichen, rufen bei Ihnen schlimme Erinnerungen wach. Mit dem Tod von drei Ihrer acht Kinder mussten Sie schwere Schicksalsschläge bewältigen. Selbst in persönlich schwierigen Lebenslagen haben Sie nie die Hilfsbereitschaft für Schwächere aus den Augen verloren.

Wer rastet, der rostet – das war stets Ihr Motto. Und so war es für Sie selbstverständlich, Ihren Mitmenschen als Köchin, Heimleiterin, Kollegin immer ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Sie hatten für die Bewohner der Spittelmühle stets ein offenes Ohr. Kochten für sie täglich eine Mahlzeit, backten ihnen einen Geburtstagskuchen – und das alles, obwohl Sie das Rentenalter längst erreicht hatten.

Auch beim Nachmittagscafé der AWO halfen Sie regelmäßig aus und betreuten ehrenamtlich das Alte Spital Café. Jedes Jahr drei Wochen vor Weihnachten wurde Ihre Küche zuhause zur großen Backstube für Weihnachtsbrötle umfunktioniert, damit alle um Sie herum diese besinnliche Zeit genießen konnten.
Leider wurde Ihr Tatendrang im Alter von 79 Jahren durch eine schwere Erkrankung jäh gebremst. Im wahrsten Sinne des Wortes „schweren Herzens“ mussten Sie kürzertreten, und auch heute schränkt Ihre Gesundheit Ihren Bewegungsradius etwas ein. Deshalb komme ich gerne zu Ihnen in den Saal, um Ihnen die Bürgermedaille zu überreichen.

Sehr geehrte Frau Strenge, ich danke Ihnen im Namen der Stadt Rottweil und des Gemeinderates für Ihr großes Engagement in unserer Stadt und freue mich, Ihnen die Bürgermedaille der Stadt verleihen zu dürfen.

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Peter Arnegger (gg)
Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.