Siegfried Haas: Kunst aus der Kraft des Glaubens

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Noch eine Woche bietet sich Gelegenheit, die eindrucksvolle Ausstellung „Kunst und Glaube“ mit Werken von Siegfried Haas in der Lorenzkapelle zu sehen. Neben der dort gezeigten Auswahl gibt es freilich etliche weitere Arbeiten von Haas, die in liturgischem Gebrauch und teils nicht frei zugänglich sind – etwa die virtuose Zier für drei Glocken.

Diese rufen seit 2010 im Turm der Kirche St. Maria und Selige Ulrika in Unterstadion im Alb-Donau-Kreis zum Gebet. Pfarrer war dort seit 2007 der aus Rottweil stammende Hans Schlenker, der anschließend Seelsorger in Dietingen wurde und seit einigen Jahren die Neubelebung von Maria Hochheim vorantreibt. Er stellte die Verbindung zu Siegfried Haas her.

Die größte Glocke sollte Christus, die mittlere Maria und die kleinste dem Heiligen Wendelinus zugeeignet sein. Der damals bereits hochbetagte Haas setzte die Widmungen mit seiner ganz unverkennbaren Handschrift in Bildprogramme und Schriftelemente um. Auch in diesen Werken führte er archaische Kraft, spirituelle Sensibilität und feines Gespür für das Material zu einer Synthese.

Die zentrale Zier der Christkönigs-Glocke. Foto: privat

In der Christkönig-Glocke rückt er Gottvater und Sohn zusammen und lässt sie sich fast zu einem halb segnenden, halb in himmlischen Sphären schwebenden Wesen verbinden. Rückseitig verbildlicht er zudem mit Bezugnahme auf Bischof Joannes Baptista Sproll, der dem nationalsozialistischen Regime gegenüber standhaft blieb, das Thema Glaubenstreue.

„Rückseite“ der Christkönigs-Glocke. Foto: privat

Regelrecht stürmisch legte er die Szene auf der Maria gewidmeten „Magnificat-Glocke“ an, in welcher der Erzengel Gabriel Maria über ihre wundersame Schwangerschaft informiert. Alles ist voll weltenthebender Energie und Bewegung – und wer Siegfried Haas einmal von seiner Spiritualität hat sprechen hören, das kann hier leicht Haas‘ persönliche Glaubens-Bewegtheit mitschwingen fühlen.

Magnificat-Glocke. Foto: privat

Die Zier der Wendelinus-Glocke bildet zu den beiden andern einen gleichsam bodenständigen Kontrapunkt. In sympathischer Einfachheit hat Haas den Namenspatron in der Bildtradition des Pilgers dargestellt. Nicht von ungefähr bitten in der zugehörigen Inschrift die Bauern, deren Patron er ist, den Heiligen Wendelin um Schutz.

Wendelinus-Glocke. Foto: privat

Unter Vermittlung von Pfarrer Schlenker fertigte Haas noch weitere Arbeiten für die vom Architekten Bert Perlia entworfene und vom Künstler Hubert Elsässer gestaltete Kirche zu Unterstadion, die 1982 geweihte wurde: Ein Weihrauchfass mit zugehörigem Schiffchen sowie ein Vortragekreuz.

Bei einem Besuch des Bildhauers in der Kirche entstand die Idee, für das Rauchfass die Form der dortigen Taufschale aufzunehmen, da die Taufe die Grundlage christlichen Lebens ist. Haas verknüpfte dies mit einem Vers aus Jesus Sirach. Diesen formte er zu einem durchbrochenen Spruchband, durch den der Weihrauch ausströmt: „WIE WEIHRAUCH WERDET IHR EUEREN DUFT VERSTRÖMEN – AMEN – EUREN DUFT VERSTRÖMEN.- HALLEELUJA.“ (Sir 39,14). „Als Freund des Choralgesangs dachte er dabei an den gesungenen Halleluja-Vers: Ein Doppel-E soll zum Singen animieren“, erläutert Hans Schlenker im Gespräch mit der NRWZ die eigenwillige Schreibweise.

Dieses Band bildet nicht nur die Wandung des Rauchfasses, es umschließt sinnbildlich das Leben eines Christen. Den oberen Abschluss bildet deshalb auch wieder die – allerdings nun umgestülpte – Taufschale. „Der Herr vollende an dir, was er in der Taufe begonnen hat“, wird bei der Beerdigung dem Verstorbenen mit Weihwasser  zugesprochen. „Dein Leib war Gottes Tempel, er schenke dir ewige Freude,“ ist das Gebet, das mit der Spendung des Weihrauchs verbunden ist. Für Hans Schlenker ist die künstlerische Umsetzung der von der Taufe bis zum Tod reichenden Symbolik schlüssig gelungen: Haas habe es geschafft, mit dem Rauchfass die Verkündigung zentraler Glaubensüberzeugung zu verbinden, fasst er zusammen.

Siegfried Haas veranschaulicht das Konzept für das Weihrauchfass. Foto: privat

Das zugehörige Schiffchen zur Aufbewahrung der Weihrauchkörner ist ein einfaches aus Wachsplatten geformtes und in Bronze gegossenes Gehäuse mit einer schlichten Abdeckung. Ein auf der Vorderseite aufgesetztes Rechteck gibt beim Abstellen Halt. Auch hier setzte Haas Schrift ein: „Suchet zuerst das Reich Gottes!“, mahnt er mit einem knappen Zitat aus der Bergpredigt die Betrachter.

Nachdem Haas mit dem Rauchfass beeindruckt hatte, entstand der Wunsch, ihn für die Kirche in Unterstadion auch noch ein Vortragekreuz gestalten zu lassen. Solchen Kreuzen kommt beim feierlichen Einzug und anderen Sakralhandlungen eine wichtige Funktion zu.

Im Frühsommer des Jahres 2009 wurde es der Gemeinde überreicht. Überrascht waren die Betrachter, dass Haas seine bisherigen Arbeiten erneut weiterentwickelt hatte: Das meist ebenmäßig dargestellte Kreuz verliert bei ihm seine klaren Konturen –  es scheint beinahe schon von Zersetzung und Vergehen gezeichnet. Der nackte Leib Jesu ist – ganz anders als der Darstellungskonvention entsprechend – nicht mehr ans Kreuz genagelt. Er ist bereits aus Kreuz und Tod genommen und erhebt sich als Auferstandener. Seine Arme und Hände laden zur Nachfolge ein – und scheinen zu einer Umarmung anzusetzen. Das verhüllende Leinentuch formte Haas gleichsam zu einer Auferstehungsfahne um, die von der wie sturmgebauscht wirkt und so von der Dynamik des Geschehens zeugt.

Das Vortrage-Kreuz. Foto: privat

Auch dieses Objekt erzählt damit beredt von der tiefen Verankerung von Siegfried Haas im christlichen Glauben. Weitere Abgüsse von Vortragekreuz, Rauchfass, Schiffchen wurde zum Osterfest 2010 der Auferstehung-Christi-Heimatgemeinde von Siegfried Haas übergeben. Ein drittes Rauchfass mit Schiffchen erhielt die Kirchengemeinde Hl. Kreuz in Dornhan.

Info: Die Ausstellung in der Lorenzkapelle ist bis einschließlich 1. August zu sehen. Öffnungszeiten: donnerstags und freitags von 14 bis 17 Uhr, an den Wochenenden von 11 bis 17 Uhr.

Das interessiert diese Woche



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Noch eine Woche bietet sich Gelegenheit, die eindrucksvolle Ausstellung „Kunst und Glaube“ mit Werken von Siegfried Haas in der Lorenzkapelle zu sehen. Neben der dort gezeigten Auswahl gibt es freilich etliche weitere Arbeiten von Haas, die in liturgischem Gebrauch und teils nicht frei zugänglich sind – etwa die virtuose Zier für drei Glocken.

Diese rufen seit 2010 im Turm der Kirche St. Maria und Selige Ulrika in Unterstadion im Alb-Donau-Kreis zum Gebet. Pfarrer war dort seit 2007 der aus Rottweil stammende Hans Schlenker, der anschließend Seelsorger in Dietingen wurde und seit einigen Jahren die Neubelebung von Maria Hochheim vorantreibt. Er stellte die Verbindung zu Siegfried Haas her.

Die größte Glocke sollte Christus, die mittlere Maria und die kleinste dem Heiligen Wendelinus zugeeignet sein. Der damals bereits hochbetagte Haas setzte die Widmungen mit seiner ganz unverkennbaren Handschrift in Bildprogramme und Schriftelemente um. Auch in diesen Werken führte er archaische Kraft, spirituelle Sensibilität und feines Gespür für das Material zu einer Synthese.

Die zentrale Zier der Christkönigs-Glocke. Foto: privat

In der Christkönig-Glocke rückt er Gottvater und Sohn zusammen und lässt sie sich fast zu einem halb segnenden, halb in himmlischen Sphären schwebenden Wesen verbinden. Rückseitig verbildlicht er zudem mit Bezugnahme auf Bischof Joannes Baptista Sproll, der dem nationalsozialistischen Regime gegenüber standhaft blieb, das Thema Glaubenstreue.

„Rückseite“ der Christkönigs-Glocke. Foto: privat

Regelrecht stürmisch legte er die Szene auf der Maria gewidmeten „Magnificat-Glocke“ an, in welcher der Erzengel Gabriel Maria über ihre wundersame Schwangerschaft informiert. Alles ist voll weltenthebender Energie und Bewegung – und wer Siegfried Haas einmal von seiner Spiritualität hat sprechen hören, das kann hier leicht Haas‘ persönliche Glaubens-Bewegtheit mitschwingen fühlen.

Magnificat-Glocke. Foto: privat

Die Zier der Wendelinus-Glocke bildet zu den beiden andern einen gleichsam bodenständigen Kontrapunkt. In sympathischer Einfachheit hat Haas den Namenspatron in der Bildtradition des Pilgers dargestellt. Nicht von ungefähr bitten in der zugehörigen Inschrift die Bauern, deren Patron er ist, den Heiligen Wendelin um Schutz.

Wendelinus-Glocke. Foto: privat

Unter Vermittlung von Pfarrer Schlenker fertigte Haas noch weitere Arbeiten für die vom Architekten Bert Perlia entworfene und vom Künstler Hubert Elsässer gestaltete Kirche zu Unterstadion, die 1982 geweihte wurde: Ein Weihrauchfass mit zugehörigem Schiffchen sowie ein Vortragekreuz.

Bei einem Besuch des Bildhauers in der Kirche entstand die Idee, für das Rauchfass die Form der dortigen Taufschale aufzunehmen, da die Taufe die Grundlage christlichen Lebens ist. Haas verknüpfte dies mit einem Vers aus Jesus Sirach. Diesen formte er zu einem durchbrochenen Spruchband, durch den der Weihrauch ausströmt: „WIE WEIHRAUCH WERDET IHR EUEREN DUFT VERSTRÖMEN – AMEN – EUREN DUFT VERSTRÖMEN.- HALLEELUJA.“ (Sir 39,14). „Als Freund des Choralgesangs dachte er dabei an den gesungenen Halleluja-Vers: Ein Doppel-E soll zum Singen animieren“, erläutert Hans Schlenker im Gespräch mit der NRWZ die eigenwillige Schreibweise.

Dieses Band bildet nicht nur die Wandung des Rauchfasses, es umschließt sinnbildlich das Leben eines Christen. Den oberen Abschluss bildet deshalb auch wieder die – allerdings nun umgestülpte – Taufschale. „Der Herr vollende an dir, was er in der Taufe begonnen hat“, wird bei der Beerdigung dem Verstorbenen mit Weihwasser  zugesprochen. „Dein Leib war Gottes Tempel, er schenke dir ewige Freude,“ ist das Gebet, das mit der Spendung des Weihrauchs verbunden ist. Für Hans Schlenker ist die künstlerische Umsetzung der von der Taufe bis zum Tod reichenden Symbolik schlüssig gelungen: Haas habe es geschafft, mit dem Rauchfass die Verkündigung zentraler Glaubensüberzeugung zu verbinden, fasst er zusammen.

Siegfried Haas veranschaulicht das Konzept für das Weihrauchfass. Foto: privat

Das zugehörige Schiffchen zur Aufbewahrung der Weihrauchkörner ist ein einfaches aus Wachsplatten geformtes und in Bronze gegossenes Gehäuse mit einer schlichten Abdeckung. Ein auf der Vorderseite aufgesetztes Rechteck gibt beim Abstellen Halt. Auch hier setzte Haas Schrift ein: „Suchet zuerst das Reich Gottes!“, mahnt er mit einem knappen Zitat aus der Bergpredigt die Betrachter.

Nachdem Haas mit dem Rauchfass beeindruckt hatte, entstand der Wunsch, ihn für die Kirche in Unterstadion auch noch ein Vortragekreuz gestalten zu lassen. Solchen Kreuzen kommt beim feierlichen Einzug und anderen Sakralhandlungen eine wichtige Funktion zu.

Im Frühsommer des Jahres 2009 wurde es der Gemeinde überreicht. Überrascht waren die Betrachter, dass Haas seine bisherigen Arbeiten erneut weiterentwickelt hatte: Das meist ebenmäßig dargestellte Kreuz verliert bei ihm seine klaren Konturen –  es scheint beinahe schon von Zersetzung und Vergehen gezeichnet. Der nackte Leib Jesu ist – ganz anders als der Darstellungskonvention entsprechend – nicht mehr ans Kreuz genagelt. Er ist bereits aus Kreuz und Tod genommen und erhebt sich als Auferstandener. Seine Arme und Hände laden zur Nachfolge ein – und scheinen zu einer Umarmung anzusetzen. Das verhüllende Leinentuch formte Haas gleichsam zu einer Auferstehungsfahne um, die von der wie sturmgebauscht wirkt und so von der Dynamik des Geschehens zeugt.

Das Vortrage-Kreuz. Foto: privat

Auch dieses Objekt erzählt damit beredt von der tiefen Verankerung von Siegfried Haas im christlichen Glauben. Weitere Abgüsse von Vortragekreuz, Rauchfass, Schiffchen wurde zum Osterfest 2010 der Auferstehung-Christi-Heimatgemeinde von Siegfried Haas übergeben. Ein drittes Rauchfass mit Schiffchen erhielt die Kirchengemeinde Hl. Kreuz in Dornhan.

Info: Die Ausstellung in der Lorenzkapelle ist bis einschließlich 1. August zu sehen. Öffnungszeiten: donnerstags und freitags von 14 bis 17 Uhr, an den Wochenenden von 11 bis 17 Uhr.

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