Donnerstag, 28. März 2024

Geheimen Sprachmustern auf der Spur

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Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.
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Leo Martin und Patrick Rottler haben ein neues Buch geschrieben. Martin ist Chef des Institutes für forensische Textanalyse in München, Rottler einer seiner Mitarbeiter. Der Ex-Geheimdienstler und Kriminalist und sein Mitarbeiter haben schon einmal für die NRWZ gearbeitet. Im vergangenen Sommer hatte ein Anonymus in Schreiben an die örtliche Tageszeitung und an die Stadtverwaltung schwere Vorwürfe gegen die Verwaltung im Zusammenhang mit der Wahl eines Ortsvorstehers und Ortschaftsratssitzungen in Tennenbronn erhoben.

Rottler hatte ein Kurzgutachten für uns erstellt und die beiden waren sehr sicher, denjenigen identifiziert zu haben, der für die anonymen Schreiben verantwortlich war: „Die verglichenen Texte passen sehr gut zusammen“, so Martin damals.

Leo Martin. Foto: privat

In ihrem neuen Buch schildern die beiden Autoren etliche Fälle, die sie aufklären konnten, zugleich entschlüsseln sie Geheimnisse unserer menschlichen Kommunikation. Die NRWZ sprach mit Leo Martin über seine Arbeit und das Buch.

NRWZ: Herr Martin, wie genau bezeichnet man die kriminalistische Wissenschaft, die Sie betreiben?

Leo Martin: Forensische Linguistik oder im allgemeinen Sprachgebrauch ‚Sprachprofiling‘. Als Kriminalist bin ich erster Ansprechpartner für unsere Auftraggeber. Das sind zu 80 Prozent Unternehmen, zu zehn Prozent Sicherheitsbehörden, wie zum Beispiel Städte und Gemeinden. und zu zehn Prozent Privatleute.

Wer klemmt sich dann hinter die Texte?

Die Analysen fertigen Sprachprofiler an. Das sind keine Kriminalisten, sondern Linguisten, Germanisten oder Kommunikationswissenschaftler, die zusätzlich eine Spezialausbildung in forensischer Linguistik gemacht haben.

Die Methode ist nicht ganz neu?

Im deutschsprachigen Raum gibt es diese Disziplin etwa 30 Jahre und ist damit relativ jung im Vergleich zu anderen kriminalistischen Disziplinen. Einen Fingerabdruck nehmen und ihn in einer Datei abzugleichen, das kann man in einem halben Tag lernen. Bis ein Sprachprofiler einen komplexen Fall begutachten und zu einem treffsicheren Ergebnis kommen kann, da braucht es anderthalb bis zwei Jahre Praxisarbeit nach einem Studium.

Klingt aufwändig.

Darum gibt es auch nicht so viele davon und deshalb ist diese Disziplin auch nicht so bekannt.

Sie haben jetzt ein neues Buch mit Patrick Rottler geschrieben, worum geht es darin?

Wir haben geschrieben über „Die geheimen Muster der Sprache – ein Sprachprofiler verrät, was andere wirklich sagen“. Es ist ein Kommunikationsratgeber, der in kleine Kriminalfälle eingebaut ist. Der Leser lernt nicht nur, wie er seine Kommunikation mit Tipps und Tricks verbessern kann, sondern er ermittelt mit uns gemeinsam gegen anonyme Täter.

Können Sie mal ein Beispiel beschreiben?

Ein aktueller Fall, den wir noch gar nicht im Buch haben: Eine Familie wird anonym beim Jugendamt angezeigt, weil sie ihr Kind verwahrlosen lassen würde. Die Familie hat den Verdacht, dass es jemand aus dem näheren Umfeld ist, der sie da beschuldigt, weil in der Anzeige Informationen auftauchen, die nicht jeder haben kann. Derartige Fälle kommen öfter einmal vor.

Wie sind Sie dem Schreiber oder der Schreiberin auf die Spur gekommen?

Wir haben von der Familie Vergleichstexte von mehreren Personen bekommen und haben im ersten Schritt ausgeschlossen, wer garantiert nicht als Schreiber in Frage kam. So fielen eine Hand voll Personen schon mal raus. Bei den anderen haben wir nach belastenden Merkmalen gesucht und konnten so den Schreiber identifizieren.

Was war die Folge?

Man hat ihn damit konfrontiert, er hat nicht gestanden. Aber er ist nicht mehr Teil des Freundeskreises – und seitdem ist Ruhe.

Im Schramberger Fall, den Sie für die NRWZ im vergangenen Sommer untersucht hatten, war da das Ergebnis auch so eindeutig?

In dem Fall damals gab es tatsächlich sehr individualtypische sprachliche Merkmale, die systematisch aufgetaucht sind und eine sehr hohe Aussagekraft hatten.

Sind solche Gutachten auch gerichtsverwertbar, etwa in einem Arbeitsgerichts- oder Strafprozess?

Grundsätzlich immer. Es gibt einerseits sehr klare und eindeutige Fälle, bei denen ein Gutachten vor Gericht ein starkes Beweismittel ist, und es gibt Fälle, da spricht man von Indizien, die dann weniger stark belastend sind.

Ihr neues Buch wird wann erscheinen und wie kann ich es bekommen?

Es erscheint am 16. Juni und ist im örtlichen Buchhandel zu kaufen – was wir sehr empfehlen.

Es ist nicht Ihr erstes Buch?

Ich habe bisher drei Bücher geschrieben und hatte das große Glück, dass alle drei Spiegel-Bestseller wurden. Das neue Buch ist das erste mit Patrick Rottler gemeinsam.

In Schramberg wird es sicher viel gelesen werden.

Das würde uns freuen.

Die Fragen stellte NRWZ-Redakteur Martin Himmelheber

Info: „Die geheimen Muster der Sprache“ von Patrick Rottler und Leo Martin erscheint im Redline Verlag und ist ab 16. Juni im Buchhandel  für 14,99 Euro erhältlich.

ISBN Print 978-3-86881-790-4

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96267-205-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96267-206-5

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