Duttenhofer – ein Elon Musk der Kaiserzeit?

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Für die einen war er ein moderner Visionär und Global Player, der ein Industrie-Imperium schuf und Wohlstand brachte. Für die andern ein machtgieriger, ausbeuterischer Kapitalist und skrupelloser Menschenschinder: Max von Duttenhofer (1843-1903), der „Pulver-König von Rottweil“, polarisiert bis heute. Ein illuster besetzter Diskussions- und Lesungsabend am Montag in der Alten Stallhalle brachte erhellende Einsichten.

Anlass war eine wegen Corona zunächst verschobene Ausstellung im Haus der Geschichte in Stuttgart, die auch auf Duttenhofer Bezug nimmt. Er wird dort in eine Reihe von rund 30 Beispielen zum Thema „Gier“ gestellt. Das Spektrum reicht von Neugier über Wissbegierde bis zu Profitgier. Wobei Duttenhofer eher für die Geld- als für die Wissensmehrung steht.

Dass der sonst fast vergessene Duttenhofer damit im Rampenlicht steht, nutzte man als Chance, kluge Köpfe über die Bedeutung des legendenumwobenen Industriemagnaten diskutieren zu lassen. Über eines war man sich dabei rasch einig: Duttenhofer ist zu unrecht nur noch lokal bekannt. Denn im Grunde bewegte er sich in einer Liga wie Robert Bosch, Gottfried Daimler, Werner Siemens und Friedrich Krupp. „Er hat den gleichen Fehler wie Carl Lämmle gemacht“, erklärte Dr. Rainer Schimpf, Projektleiter der Stuttgarter Schau: Der in Laupheim geborene Lämmle war als Gründer der Universal-Studios eine der Gründer-Figuren Hollywoods. Aber seinen Namen prägte er der Firma nicht auf – ebenso wie Duttenhofer.

Fungierte als Gastgeberin: Martina Meyr, Leiterin der Städtischern Museen, aus deren Beständen in der Stuttgarter Ausstellung eine Duttenhofer-Büste zu sehen ist. Foto: al

Lässt sich aus diesem Vergessen ableiten, dass Duttenhofer für uns heute keine Bedeutung hat? Keinesfalls, argumentierte Museumsmann Rainer Schimpf. Für ihn ist Duttenhofer eine in vieler Hinsicht moderne Gründer- und Machergestalt, der die Chancen seiner Zeit genial mit erkannte und entschlossen nutze – vielleicht ähnlich wie heute ein Amazon-Gründer Jeff Bazos oder Mobilitäts-Revolutionär Elon Musk.

Dr. Jörg Kraus, Verfasser der maßgeblichen Studie zu Duttenhofer, stieß ins selbe Horn. Er betonte die Energie und Power Duttenhofers: „Was er anfasste, kam in Bewegung“. Eine Dauer-Dynamik, die für Rottweil freilich zwiespältig war: Beschleunigungs- und Modernisierungsdruck als Stresstest für Traditionsbewusstsein und lebensfreudige Gelassenheit.

Diese Sichtachse akzentuierte auch Zimmertheater-Intendant Dr. Peter Staatsmann, der sich 2019 in einer viel beklatschten Sommertheater-Produktion mit Duttenhofer auseinandergesetzt hat. Er sah Parallelen zur Duttenhofer-Zeit und heute: Wie damals liege die Priorität auf der Wirtschaft. Wie damals stelle sich die Frage, ob dies allein Zukunftspotenziale eröffne. Eine Figur wie Duttenhofer, die immer „unter Volldampf“ gewesen sei, biete die Chance zu überlegen, „wie wir heute den Zug etwas verlangsamen können“, sagte Staatsmann.

Eine sehr abgewogene Position bezog Alt-Stadtarchivar Dr. Winfried Hecht. Er attestierte Duttenhofer einerseits Verdienste etwa um kulturelle Einrichtungen in Rottweil. Zugleich verwies er auf Schattenseiten, etwa die dominante Stellung Duttenhofers, der gegenüber der Stadt fast gebieterisch auftrat – was freilich auch demokratische Gegenkräfte wachrief. Und Hecht verdeutlichte den größeren Rahmen: Dass Duttenhofer nicht nur für das triumphale Selbstbild des Kaiserreichs stand, sondern auch die Munition für Waffengänge bis hin zum Millionen Menschenleben vernichtenden Ersten Weltkrieg produzierte.

Alt-Stadtarchivar Dr. Winfried Hecht (links) und Zimmertheater-Intendant Dr. Peter Staatsmann. Foto: al

Für eine fundierte Erdung der Debatte sorgte Cornelia Votteler, die sich bestens mit den einstigen Duttenhofer-Anlagen im Neckartal auskennt. Sie zeigte, dass Duttenhofer seine Leute in Zwölfstunden-Schichten malochen ließ und viele Menschen Opfer schwere Explosionen oder Verätzungen wurden. Allenfalls die caritative Ader der Ehefrau milderte die Schur.

Spannend wurde es, wenn Einschätzungen gegeneinander gingen. So machte Peter Staatsmann die schon ältere These stark, Duttenhofer habe keine anderen Betriebe aufkommen lassen und so letztlich Rottweils Zukunft blockiert. Dem widersprach Jörg Kraus, der argumentierte, Duttenhofer sei so dominant gewesen, dass er gar niemanden habe unterdrücken müssen. Dies wiederum parierte Winfried Hecht mit konkreten Beispielen, bei denen Duttenhofer andere Akteure plattgemacht hatte.

Eine ganz besondere Dimension eröffnete Johann Reißer, Stadtschreiber des Jahres 2014 und Rottweil seither eng verbunden. Er gab erste Kostproben aus seinem lange erwarteten Roman „Pulver“ rund um Duttenhofer und das Neckartal, der nun kurz vor der Veröffentlichung steht. Reißer gelang es, Duttenhofer und Probleme der Zeit atmosphärisch dicht und teils schalkhaft humorvoll zu charakterisieren. Duttenhofer erscheint bei ihm als fast fanatischer Macher mit Tunnelblick, dessen Diktat die Rottweiler freilich auch schlau aushebeln und lieber ins Wirtshaus gehen, als dauernd nur im „Pulverloch“ zu schuften. Auf Reißers Roman darf man sich zweifellos freuen – und auf weitere Gespräche über den nach wie vor faszinierenden Max von Duttenhofer ebenso.

80 Rund Gäste folgten der regen Diskussion aufmerksam. Foto: al

Das interessiert diese Woche



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Für die einen war er ein moderner Visionär und Global Player, der ein Industrie-Imperium schuf und Wohlstand brachte. Für die andern ein machtgieriger, ausbeuterischer Kapitalist und skrupelloser Menschenschinder: Max von Duttenhofer (1843-1903), der „Pulver-König von Rottweil“, polarisiert bis heute. Ein illuster besetzter Diskussions- und Lesungsabend am Montag in der Alten Stallhalle brachte erhellende Einsichten.

Anlass war eine wegen Corona zunächst verschobene Ausstellung im Haus der Geschichte in Stuttgart, die auch auf Duttenhofer Bezug nimmt. Er wird dort in eine Reihe von rund 30 Beispielen zum Thema „Gier“ gestellt. Das Spektrum reicht von Neugier über Wissbegierde bis zu Profitgier. Wobei Duttenhofer eher für die Geld- als für die Wissensmehrung steht.

Dass der sonst fast vergessene Duttenhofer damit im Rampenlicht steht, nutzte man als Chance, kluge Köpfe über die Bedeutung des legendenumwobenen Industriemagnaten diskutieren zu lassen. Über eines war man sich dabei rasch einig: Duttenhofer ist zu unrecht nur noch lokal bekannt. Denn im Grunde bewegte er sich in einer Liga wie Robert Bosch, Gottfried Daimler, Werner Siemens und Friedrich Krupp. „Er hat den gleichen Fehler wie Carl Lämmle gemacht“, erklärte Dr. Rainer Schimpf, Projektleiter der Stuttgarter Schau: Der in Laupheim geborene Lämmle war als Gründer der Universal-Studios eine der Gründer-Figuren Hollywoods. Aber seinen Namen prägte er der Firma nicht auf – ebenso wie Duttenhofer.

Fungierte als Gastgeberin: Martina Meyr, Leiterin der Städtischern Museen, aus deren Beständen in der Stuttgarter Ausstellung eine Duttenhofer-Büste zu sehen ist. Foto: al

Lässt sich aus diesem Vergessen ableiten, dass Duttenhofer für uns heute keine Bedeutung hat? Keinesfalls, argumentierte Museumsmann Rainer Schimpf. Für ihn ist Duttenhofer eine in vieler Hinsicht moderne Gründer- und Machergestalt, der die Chancen seiner Zeit genial mit erkannte und entschlossen nutze – vielleicht ähnlich wie heute ein Amazon-Gründer Jeff Bazos oder Mobilitäts-Revolutionär Elon Musk.

Dr. Jörg Kraus, Verfasser der maßgeblichen Studie zu Duttenhofer, stieß ins selbe Horn. Er betonte die Energie und Power Duttenhofers: „Was er anfasste, kam in Bewegung“. Eine Dauer-Dynamik, die für Rottweil freilich zwiespältig war: Beschleunigungs- und Modernisierungsdruck als Stresstest für Traditionsbewusstsein und lebensfreudige Gelassenheit.

Diese Sichtachse akzentuierte auch Zimmertheater-Intendant Dr. Peter Staatsmann, der sich 2019 in einer viel beklatschten Sommertheater-Produktion mit Duttenhofer auseinandergesetzt hat. Er sah Parallelen zur Duttenhofer-Zeit und heute: Wie damals liege die Priorität auf der Wirtschaft. Wie damals stelle sich die Frage, ob dies allein Zukunftspotenziale eröffne. Eine Figur wie Duttenhofer, die immer „unter Volldampf“ gewesen sei, biete die Chance zu überlegen, „wie wir heute den Zug etwas verlangsamen können“, sagte Staatsmann.

Eine sehr abgewogene Position bezog Alt-Stadtarchivar Dr. Winfried Hecht. Er attestierte Duttenhofer einerseits Verdienste etwa um kulturelle Einrichtungen in Rottweil. Zugleich verwies er auf Schattenseiten, etwa die dominante Stellung Duttenhofers, der gegenüber der Stadt fast gebieterisch auftrat – was freilich auch demokratische Gegenkräfte wachrief. Und Hecht verdeutlichte den größeren Rahmen: Dass Duttenhofer nicht nur für das triumphale Selbstbild des Kaiserreichs stand, sondern auch die Munition für Waffengänge bis hin zum Millionen Menschenleben vernichtenden Ersten Weltkrieg produzierte.

Alt-Stadtarchivar Dr. Winfried Hecht (links) und Zimmertheater-Intendant Dr. Peter Staatsmann. Foto: al

Für eine fundierte Erdung der Debatte sorgte Cornelia Votteler, die sich bestens mit den einstigen Duttenhofer-Anlagen im Neckartal auskennt. Sie zeigte, dass Duttenhofer seine Leute in Zwölfstunden-Schichten malochen ließ und viele Menschen Opfer schwere Explosionen oder Verätzungen wurden. Allenfalls die caritative Ader der Ehefrau milderte die Schur.

Spannend wurde es, wenn Einschätzungen gegeneinander gingen. So machte Peter Staatsmann die schon ältere These stark, Duttenhofer habe keine anderen Betriebe aufkommen lassen und so letztlich Rottweils Zukunft blockiert. Dem widersprach Jörg Kraus, der argumentierte, Duttenhofer sei so dominant gewesen, dass er gar niemanden habe unterdrücken müssen. Dies wiederum parierte Winfried Hecht mit konkreten Beispielen, bei denen Duttenhofer andere Akteure plattgemacht hatte.

Eine ganz besondere Dimension eröffnete Johann Reißer, Stadtschreiber des Jahres 2014 und Rottweil seither eng verbunden. Er gab erste Kostproben aus seinem lange erwarteten Roman „Pulver“ rund um Duttenhofer und das Neckartal, der nun kurz vor der Veröffentlichung steht. Reißer gelang es, Duttenhofer und Probleme der Zeit atmosphärisch dicht und teils schalkhaft humorvoll zu charakterisieren. Duttenhofer erscheint bei ihm als fast fanatischer Macher mit Tunnelblick, dessen Diktat die Rottweiler freilich auch schlau aushebeln und lieber ins Wirtshaus gehen, als dauernd nur im „Pulverloch“ zu schuften. Auf Reißers Roman darf man sich zweifellos freuen – und auf weitere Gespräche über den nach wie vor faszinierenden Max von Duttenhofer ebenso.

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