Freitag, 29. März 2024

Zu viele Waschbären in Bühlingen: 20 Tiere „entnommen“

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„Wenn sie beim Waschen helfen, why not?“ Facebook reagiert wie immer abgeklärt auf unsere Nachfrage, ob Rottweil-Bühlingen eine Waschbärenplage erlebe. Verantwortliche sehen es anders, sehen die Population der anpassungsfähigen Tiere überhandnehmen. Deshalb seien jetzt 20 von ihnen entnommen worden, wie es heißt.

„In der Tat haben wir in Bühlingen, im Bereich Unterdorf, Fischersteig und teilweise auch schon im Oberdorf, eine extreme Population von Waschbären festzustellen.“ Das sagt auf Nachfrage der NRWZ der heimliche Ortsvorsteher des Rottweiler Ortsteils (Bühlingen ist kein Teilort), Gerhard Gurreck. Er selbst nennt sich lieber „Kümmerer für Bühlinger Belange“, auf ihn verweist auf Nachfrage Dr. Peter Schellenberg, der das Thema Waschbären im Gemeinderatsausschuss vorgebracht hat.

Jedenfalls: Laut Gurreck habe man vor Ort schon reagiert: „Um den damit weiteren aufgetretenen Schäden entgegenzuwirken, wurden bis dato, in Absprache mit den zuständigen Stellen beim Landratsamt und unter Beachtung tierschutzrechtlicher beziehungsweise jagdrechtlicher Vorgaben, 20 Tiere der Population entnommen“, sagt er. Im Klartext bedeutet das: Fangen in der Lebendfalle und anschließendes Töten. Es werde zudem auch mittels elektronischen Vergrämungsgeräten versucht, die Tiere zu vertreiben, so Gurreck.

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Matthias Oettle, der Leiter des Hegerings Rottweil – also ein Jäger – sagt: „Waschbären gibt es in Rottweil und Umgebung schon seit einigen Jahren. Waschbären sind Kulturfolger und halten sich aufgrund des Nahrungsangebotes gerne in der Nähe von Menschen auf.“ Er bestätigt: „Aktuell erkennen wir in Bühlingen ein erhöhtes Vorkommen.“ Aus aktuellem Anlass habe man daher im Hegering Rottweil eine Arbeitsgruppe gegründet, „die sich in enger Zusammenarbeit mit der unteren Jagdbehörde hierzu abstimmt.“ 

Diese Untere Jagdbehörde, das Forstamt im Landratsamt Rottweil, vertritt Hannes Vöhringer. Auch er bestätigt: „Waschbären gibt es bereits seit längerem in Deutschland und auch im Kreis Rottweil. In den letzten Monaten sind sie verstärkt in Bühlingen aufgetreten.“ Es sei bereits auf Antrag eine Ausnahmegenehmigung zur Fallenjagd mit der Lebendfangfalle für den befriedeten Bezirk nach Paragraf 13 Abs. 4 Jagd- und Wildtiermanagementgesetz (JWMG) für einen Bereich in Bühlingen erteilt worden. Die Untere Jagdbehörde des Landratsamtes prüfe zudem derzeit, „wie hier weiter sinnvoll unterstützt werden kann.“ Hierzu stehe man bereits auch mit der Stadt und dem Hegering Rottweil der Kreisjägervereinigung im Kontakt. Der Hegering habe bereits eine Arbeitsgruppe Fallenjagd ins Leben gerufen, erklärt auch Vöhringer.

Da es sich bei Wohngebäuden, Hausgärten und ähnlichen um einen sogenannten befriedeten Bezirk handelt, hier die Jagd also ruht (siehe Paragraf 13 Absatz 1+2 JWMG), können und dürfen Jäger nicht einfach tätig werden, sagt der Forstamtsleiter. Sie benötigen dafür eine besondere Genehmigung. Im befriedeten Bezirk sind die Grundstücksbesitzerinnen und -besitzer in der Verantwortung, ihr Grundstück gegen Wildtiere zu sichern.

Diesen schreibt Vöhringer ins Stammbuch: „Die meisten Probleme entstehen durch falsch ausgedrückte Tierliebe und Zuneigung, welches die Tiere sich erst an den Menschen gewöhnen lässt und sie zutraulich und gegebenenfalls aufdringlich macht.“ Besonders wichtig sei es, die Tiere nicht zu füttern. Waschbären sollten in den Gärten nichts fressbares vorfinden wie Katzen- oder Hundefutter auf der Terrasse, Meisenknödel oder einen offenen Kompost. „Sonst lernen diese schnell, wo es sich lohnt, regelmäßig vorbeizuschauen.“

Bühlingens Bürger Gurreck ergänzt, es sei „sehr wichtig, die Einwohnerschaft für eine unzugängliche Aufbewahrung aller möglichen Nahrungsreste für diese Tiere, zu sensibilisieren. Dabei sollten Futterstellen beziehungsweise Katzenklappen unbedingt mit beachtet werden.“

Laut unseren Lesern gibt es Waschbären in der gesamten Gegend, etwa auch im benachbarten Deißlingen. Dessen Bürgermeister Ralf Ulbrich sieht das aber entspannt. Er schreibt auf Nachfrage der NRWZ: „Ich weiß von einem oder mehreren Waschbären in unserer Gemeinde (mehrere Sichtungen im Bereich Buchwald). Von einer Plage würde ich aber definitiv nicht sprechen. Unser Förster bestätigte diese Sichtungen; Grund für die Vermehrung der Tiere ist schlicht die Tatsache, dass sie keine Fressfeinde in unseren Breitengraden haben.“

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5 Kommentare

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Klaus Kramer
2 Jahre her

Wer legt das Maß fest? Was bedeutet zu viele Tiere? Die Jäger, die gerne schießen? Der Bürgermeister der sich gerne wichtig macht? Vielleicht wäre es sinnvoll auch Biologen hinzuzuziehen und solche Entscheidungen nicht alleine nach Gutdünken unkundiger Laien zu entscheiden.
Jagd reguliert nicht, sie sorgt IMMER für eine Zunahme der Arten. Wild reguliert sich selbst, wenn man es in Ruhe lässt.
Dr. Ulf Hohmann, Wildbiologe und Waschbär-Experte schreibt u.a.:
„Ich kenne keinen einzigen Wissenschaftler oder Jagdexperten, der ernsthaft glaubt, den Tieren mit jagdlichen Mitteln Einhalt gebieten zu können. Wir müssen uns einfach damit abfinden, dass der Waschbär sich bei uns wohl fühlt und wir ihn nicht regulieren können. Insofern müssen wir uns mit ihm arrangieren.“
[4]
(Badische Zeitung (2017): Invasive Art Jetzt streunen die Waschbären durch unsere Wälder, http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/jetzt-streunen-die-waschbaeren-durch-unsere-waelder–135843094.html, (eingesehen am 07.10.2020))

Dana. H
2 Jahre her

Entnommen? Wie bescheuert ist die Menschheit mittlerweile eigentlich geworden.
Wäre vielleicht mal besser so einige Subjekte auf dieser Welt zu entnehmen!
Ich würde lieber jedes Tier dieser Welt füttern und helfen als einem Menschen!

Meisterjäger
2 Jahre her

Entnommen? Welch harmloses Wort für tierquälerische Abschlachten. Gegessen wurden die wohl kaum. Demnach fehlt der vernünftige Grund nach dem Tierschutzgesetz. Denn Populationsregulierung ist kein vernünftiger Grund da alle Wirbeltiere gleichermaßen geschützt sind.

Siegfried Spengler
Antwort auf  Meisterjäger
2 Jahre her

Wenn das, was Sie hier schreiben, stimmen würde, dann dürfte man keine Ratten und Mäuse fangen geschweige denn Schlagfallen oder Rattengift verkaufen.

Vielleicht ist Ihnen auch die aktuelle Fassung des Tierschutzgesetzes nicht bekannt! Sie ist völlig anders, als ich es z.B. im Studium gelernt habe.

§ 4
(1) 1Ein Wirbeltier darf nur unter wirksamer Schmerzausschaltung (Betäubung) in einem Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit oder sonst, soweit nach den gegebenen Umständen zumutbar, nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden. 2Ist die Tötung eines Wirbeltieres ohne Betäubung im Rahmen weidgerechter Ausübung der Jagd oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften zulässig

oder erfolgt sie im Rahmen zulässiger Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen,

so darf die Tötung nur vorgenommen werden, wenn hierbei nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen entstehen. 3Ein Wirbeltier töten darf nur, wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat.

Die Rechtsquelle ist, wie von Herrn Arnegger im Aufsatz beschrieben, das Jagdrecht (Landesrecht). Schon der Name der Vorschrift sagt, um was es geht: Jagd- und Wildtiermanagement, es geht also um ein Zusammenleben von Mensch und allen Tieren, neu eingewanderte Tiere können auch den heimischen Tierarten schaden, vor allem, wenn sie, wie der Deißlinger Bürgermeister zutreffend festgestellt hat, keine natürlichen Feinde haben, so dass eine natürliche Regulation der Population nicht möglich ist! Oder dass die natürlichen Feinde unerwünscht bzw. ausgerottet sind, so wie bei Hirsch und Reh gegen Luchs, Wolf und Bär!

Gerti
2 Jahre her

So frech sind sie
Raubtiere die keine Angst haben

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... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.