Wired vs. Tired: Warum Schramberg beides braucht – den Plastik-Hype und die Karten-Philosophen
Eine ungewöhnliche Installation und ein Vergleich dazu

Es ist ein Phänomen, das selbst erfahrene Schramberger staunen lässt: Menschen stehen morgens um 7.30 Uhr Schlange. Nicht für einen Bauplatz, sondern für 7,5 Zentimeter Kunststoff. Die „Schwarzwald-Marie“ von Playmobil ist der unbestrittene Hype der Stunde – und bereits bis 2026 vergriffen. Ein Gastbeitrag von Mark Finnern.
Das ist schön, denn es zeigt, wie sehr sich die Menschen mit unserer Heimat identifizieren. Doch während im Tal der „Run“ auf das Bollenhut-Souvenir tobt, schlummert in einem Saal im Schramberger Schloss ein 175 Jahre alter Schatz, den sich bis jetzt nur sehr wenige erschlossen haben.

Dort, als Teil der Hartschierle-Installation der Podium Kunst Ausstellung, steht ein Automat, der genau das Gegenteil der Massenware bietet.

Hartschierle: Der erste Aussteiger Schrambergs
Wer hier am Rad dreht, erhält keine seelenlose Massenware. Der Automat verbindet im Austausch gegen eine Zwei-Euro-Münze mit einer ganz persönlichen Hartschierle-Figur.
Die Figuren basieren auf den Originalen von Gregor Moosmann (1801–1872), genannt „Hartschierle“. Er war Schrambergs erster echter „Aussteiger“. Während unten im Tal die Industrialisierung begann, malte er in seiner Einsiedelei (der Moosmannshöhle) hunderte von filigranen Figuren – eine idealisierte, romantische Gegenwelt als Antwort auf die harte Realität.


Masse vs. Klasse: Ein Vergleich
Heute begegnen sich diese zwei Welten wieder. Das US-Magazin Wired nennt solche Gegenüberstellungen „Wired vs. Tired“ – das Neue und Spannende gegen das Etablierte.
Für Schramberg sieht diese Bilanz so aus:
| Kategorie | TIRED (Die Playmobil-Marie) | WIRED (Der Hartschierle-Automat) |
| Vielfalt | Alles gleich: Jede Figur ist identisch. Wer eine hat, kennt alle. | Große Vielfalt: Es gibt über 50 verschiedene Charaktere – vom Engel bis zum Handwerker. |
| Verfügbarkeit | Mangelverwaltung: Wartelisten bis 2026. Stress und Hektik am Verkaufstresen. | Fülle: „Der Himmel ist für Alle da!“. Im Austausch von 2€ gibt es eine Hartschierle-Figur für jeden von uns. |
| Funktion | Ein Objekt fürs Regal: Ein Staubfänger für die Vitrine. | Begleiter fürs Leben: Jede Figur trägt eine individuelle Botschaft auf der Rückseite, die oft erstaunlich gut zur aktuellen Lebenssituation passt. |
| Material | ABS-Kunststoff aus Malta. | Starker Karton, originalgetreu gedruckt, mit ökologischem Kapsel-Pfandsystem. |
Ein Stück Geschichte besitzen – und sich selbst finden
Das Besondere am Hartschierle-Kunstwerk ist die Resonanz. Während die Playmobil-Figur immer gleich lächelt, fordert uns der Hartschierle heraus.
Um die tiefen Wurzeln der Menschen im Schwarzwald zu ergründen, sollte man sich auf das Abenteuer „Hartschierle-Figur“ einlassen und sich auf den Weg ins Schramberger „Dornröschenschloss“ machen.

Fazit Es ist völlig in Ordnung, der Playmobil-Marie nachzujagen. Sie ist ein sympathisches Symbol. Wer mehr sucht, der sollte den Weg nach oben ins Schloss wagen. Die Figuren dort können es kaum erwarten, ihre Botschaft zu überbringen und zum Leben zu erwecken. Die Mitgliederausstellung ist noch bis zum 4. Januar geöffnet.