Freitag, 29. März 2024

Karrais: „Wenig Diskursbereitschaft“

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Im Nachgang zu einem Vortrag von Jörn Gutbier in Schramberg zu 5 G hatte sich der FDP-Landtagsabgeordnete Daniel Karrais zu Wort gemeldet. In einer Antwort hatte Gutbier Karrais unter anderem „Falschaussagen“ vorgeworfen. Darauf antwortet nun Karrais in einer erneuten Stellungnahme:

Gerne wäre ich tatsächlich mit Ihnen nochmal in den Diskurs getreten. Ihr Leserbrief, den sie nur wenige Tage nach dem Eingang Ihrer Mail an mich an die NRWZ geschickt haben, zeugt leider nur von sehr wenig Diskursbereitschaft. Wenn man nicht ohne starke Unterstellungen, wie den Vorwurf des „Verbreitens von Falschaussagen“ auskommt, ist das von einer Absolutheit, die ich eher aus anderen politischen Lagern kenne. Selbstverständlich antworte ich Ihnen auf Ihre Mail und den Leserbrief, wie ich das bei (fast) jedem mache.

Grundsätzlich habe ich Ihrem Vortrag aufmerksam zugehört und wie auch in meinem Leserbrief dargestellt, eine für mich positiv überraschende Wissenschaftlichkeit festgestellt. Als Digitalpolitiker und auch zuvor in meiner beruflichen Anstellung habe ich mich intensiv mit Mobilfunk, seiner Funktionsweise und möglichen Auswirkungen und Erkenntnissen dazu auseinandergesetzt. Insofern waren die von Ihnen herangezogenen Studien und Grundlagen für Ihre kritische Haltung für mich nicht neu. Mich hat bei Ihrem Vortrag gestört, dass manche Punkte eben ausgeblendet wurden oder nur untergeordnet eine Rolle gespielt haben, die Ihre Schlussfolgerungen relativieren könnten.

So zum Beispiel die Übertragung der Mausstudie auf den Menschen. Bei Minute 40:50 Ihres Vortrags sagen Sie „[…] ob wir diese Erkenntnisse [von der Maus] auf den Menschen übertragen können, wissen wir nicht“. An dieser Stelle ist mir nicht klar, ob Sie aus einem Schreiben des BfS zitieren oder dies Ihre eigene Aussage ist. Fakt ist aber, und auch das kann man in der Aufzeichnung sehen, dass in Ihrer an die Wand geworfenen Grafik nach diesem Satz ein roter Balken für den untersuchten Frequenzbereich eingeblendet wird, der einen Nachweis für eine krebspromovierende Wirkung symbolisiert. Warum Sie, anders als das BfS, die Ergebnisse auf einmal doch von der Maus auf den Menschen übertragen können, erklären Sie nicht. Sie gehen einfach davon aus, dass das so ist.

Auch die Studien, die Erkenntnisse in Ihre Richtung geben mit überschwänglichen Lobeshymnen zum Design der Studien anzukündigen, zeugt nicht von einer wissenschaftlichen Herangehensweise. Sie können sich ja gerne über Ihrer Meinung nach gute Studien freuen. Aber das ist dann halt tendenziös und nicht mehr wissenschaftlich. Auch Äußerungen, wie „Zwangsbestrahlung“ und ähnliche Ausdrücke, die Sie verwenden, sind doch sehr emotional besetzt.

Hier kommen wir auch zu einem weiteren Punkt. Es gibt zwei Studien von L. Falcioni et al., Universität Bologna, und dem National Toxicology Program, USA, die feststellten, dass Mäuse mit Bestrahlung länger lebten, als die nicht-bestrahlte Kontrollgruppe. Nun glaube ich auch nicht, dass Mobilfunk der Weg zum ewigen Leben ist, aber auch hieraus könnte man Ableitungen ziehen, was ich persönlich aber ausdrücklich nicht mache. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass bei den beiden Studien GSM untersucht wurde, also die älteren Mobilfunkstandards. Insgesamt werfen dann manche Studien aber eben doch Zweifel auf.

Was mich aber noch mehr stört, ist Ihre Absolutheit, dass 5G keiner brauche. Sie wiederholen das in Ihrem Leserbrief nochmals. Ich weiß nicht, woher Sie glauben diese Gewissheit zu haben oder auf welcher Grundlage Sie dazu kommen. An diesem Punkt haben Sie den Boden der Wissenschaftlichkeit und der Tatsachen verlassen. Die Erfahrung mit dem Internet zeigt doch, dass sich immer, wenn es die Möglichkeit gab mehr Daten zu übermitteln, auch entsprechende Use Cases entwickelt haben. Die kannte man aber zum Zeitpunkt des Roll-Outs der jeweiligen Netze noch nicht. Ein iPhone, wie es 2007 auf den Markt gebracht wurde, wäre ohne mobiles Internet ziemlich nutzlos gewesen. Wenn man nicht schon 3G gehabt hätte, hätte es das iPhone nie gegeben. Heute sind Smartphones nicht mehr weg zu denken.

Damit will ich sagen, dass es eben noch keine Gewissheit gibt, was alles kommen kann. Besonders für Unternehmen, die keine stationären Betriebsstandorte haben, wird es sehr wahrscheinlich eine Rolle spielen, ob es hohe Datenübertragbarkeiten gibt oder eben nicht. Man kann sich natürlich immer sagen, dass man jetzt ja auch ohne 5G arbeiten kann. Man konnte früher auch generell ohne Mobilfunk arbeiten. Aber bleibt man mit dieser Sichtweise auf der Höhe der Zeit? Ich denke nicht. Man wird viel eher abgehängt.

Übrigens entwickelt sich die Technik im Allgemeinen ja auch weiter. Die alten GSM-Standards, die Telefonie ermöglichen, verschwinden zunehmend aus den Netzen. Stattdessen verwenden moderne Endgeräte für die Telefonie schon heute immer häufiger das sogenannte Voice-over-LTE (VoLTE) oder Voice-over-Wi-Fi (VoWiFi). Diese Verfahren nutzen die mobile Datenverbindung bzw. WLAN zum Aufbau einer Telefonieverbindung. Damit reduziert sich die Strahlenbelastung im Endgerät immens, da weniger Leistung benötigt wird und nicht mehr die GSM-Frequenzen verwendet werden müssen.

Bei den Äußerungen zum Beamforming interpretieren Sie meine Aussagen, genauso, wie ich Ihre interpretiert habe. Dazu muss ich nicht mehr sagen.

Wir stimmen in einem Punkt überein: Man kann die Mobilfunknetze optimaler gestalten und so die Strahlenbelastung reduzieren und gleichzeitig die Netzqualität steigern. Ob man angesichts von Technologien, wie VoWiFi auch im letzten Winkel eines Hauses noch Mobilfunk braucht, kann man sich tatsächlich fragen. Wenn man aber optimalere Netze will, braucht man auch mehr Sendeanlagen. Und da ist ein Aufruf an die Kommunen, genau diesen Ausbau zu blockieren, mehr als kontraproduktiv.

Die Aussage im NRWZ-Interview zur Beteiligung von Kommunen am Netzausbau, ist etwas unscharf. Allerdings verstehe ich die Regeln und Ansagen gegenüber den Kommunen und die Beteiligungsmöglichkeit und die daraus folgenden Ergebnisse eher als Empfehlung. Das ausbauende Unternehmen hat dann natürlich einen gewissen politischen Druck, kann aber auch zu anderen Ergebnissen kommen. Man findet immer irgendeinen sachlichen Grund, nicht den von der Kommune vorgeschlagenen Standort zu nehmen, sondern den ursprünglich geplanten.

Was Sie, Herr Gutbier, durchaus als Punktsieg werten können, ist, dass mich Ihr Vortrag dazu bringt, mich mehr mit der Regulierung des Netzausbaus zu beschäftigen, was die Auswahlkriterien für Mobilfunkstandorte angeht. Das ist insbesondere dann interessant, wenn staatliche Mobilfunkförderprogramme erstellt werden. Hier könnte man entsprechende Kriterien einbauen. Auch die übrigen Regularien zum Netzausbau gehören auf den Prüfstand. Die Schweiz kann hierbei ein Vorbild sein.

Daniel Karrais, MdL, Rottweil

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