Aus für die Bahnlinie zwischen Balingen und Rottweil: Deutliches Votum gegen den Lückenschluss

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Die Entscheidung am Montagnachmittag war deutlich. Der Rottweiler Kreistag sprach sich mit großer Mehrheit gegen eine Reaktivierung der Bahnstrecke zwischen Balingen und Rottweil aus. 33 Kreisräte stimmten dagegen, lediglich 10 votierten dafür. Damit ist die Mehrheit des Gremiums komplett anderer Ansicht als ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Zollernalbkreis. Dort hatte man das Projekt mit großer Mehrheit gutgeheißen.

Günstig würde die Sache nicht werden. Das war von Anfang an klar. Von rund 300 Millionen Euro Kosten für den Neubau der Schienentrasse zwischen Schömberg und Rottweil geht die Machbarkeitsstudie aus, die von der DB Engineering & Consulting GmbH aus Karlsruhe ausgearbeitet wurde. Das war dann auch einer der Punkte, weshalb sich die Rottweiler Kreisräte und Landrat Dr. Wolf-Rüdiger Michel gegen das Projekt aussprechen. Man geht davon aus, dass das Projekt nicht vor 2050 fertiggestellt sei. Rund 30 Millionen Euro kämen auf den Landkreis Rottweil zu – aller Wahrscheinlichkeit sogar noch mehr.

Zudem, so das Argument von Landrat Michel schon in der Sitzung des Verwaltungsausschusses des Rottweiler Kreistags vor zwei Wochen, würden eine echte Reaktivierung stärker gefördert, nämlich 75 Prozent für den Bau, zehn Prozent für die Planung, als ein Neubau. Die geplante Trasse sei komplett neu, da die alte Trasse über Schörzingen und Wellendingen nicht mehr zu reaktivieren sei, da sie nach der Stilllegung 1971 sogar teilweise überbaut worden ist. Am Landkreis Rottweil würden rund fünf Sechstel der Kosten hängen bleiben für knapp die Hälfte der Strecke. Neben den Kosten kämen auch notwendig werdende Geländekäufe, im ungünstigsten Fall Enteignungen auf den Landkreis Rottweil zu.

Schon im Vorfeld Skepsis

Dass man bei der Rottweiler Kreisverwaltung schon im Vorfeld große Bedenken hegte, zeigt die Tatsache, dass sich der Kreis an der Machbarkeitsstudie nicht finanziell beteiligt hat.

Das Verkehrsplanungsbüro PTV Transport Consult GmbH hatte sich schon im Vorfeld der aktuellen Studie mit mehreren deaktivierten Strecken auseinandergesetzt. Gerade der Strecke zwischen Balingen und Rottweil hat PTV ein hohes Nachfragepotenzial mit circa 1460 möglichen Fahrgästen montags bis freitags beziehungsweise pro Schultag bescheinigt.

Die DB Engineering & Consulting hat einer neuen, sogenannten Nordvariante, bescheinigt, dass der volkswirtschaftliche Nutzen die Kosten übersteigt – also rentabel ist. Diese neue Studie schraubt auch die Auslastung deutlich nach oben. Hier geht man nicht mehr von 1460 Fahrgästen, sondern sogar von rund 3000 Fahrgästen täglich aus und verweist auf mögliche Anbindungen von Villingen nach Albstadt und von Tuttlingen nach Hechingen. Von Rottweil aus gebe es zudem die Möglichkeiten, über die Gäubahn oder über Balingen nach Stuttgart zu gelangen.

Nordvariante wäre rentabel

Die Nordvariante würde an Zepfenhan und Neukirch vorbeiführen und hinter Neukirch in die Gäubahn einschleifen. Über dem Neckartal müsste in Höhe Gewerbegebiet Berner Feld eine große Brücke gebaut werden.

Rottweils Oberbürgermeister Dr. Christian Ruf (CDU) und der ehemalige Rottweiler Stadtarchivar Dr. Winfried Hecht (SPD) standen mit ihrem Eintreten für den Lückenschluss letztlich auf verlorenem Posten. Dabei argumentierte Hecht historisch, verwies darauf, dass mit dem Bau der Trasse bereits 1898 begonnen wurde und sie dann 1928 fertiggestellt worden war. Durch die Stilllegung 1971 habe Rottweil einen schweren finanziellen Schlag erhalten. „Das war einer der schlechtesten Beschlüsse, die je gefasst worden sind“, so Hecht. Die Raumschaft Rottweil habe sich früher bis nach Roßwangen erstreckt. Durch die Stilllegung sei ein Teil der früheren Raumschaft weggebrochen. Jetzt habe der Landkreis „eine einmalige Chance, die so nicht mehr kommt“, führte Hecht aus.

Appelle der Befürworter bringen nichts

Dieser Lückenschluss sei keineswegs nur ein Rottweiler Thema, sondern reiche weit über die Grenzen des Landkreises hinaus, erklärte Rottweils Oberbürgermeister Dr. Christian Ruf. „Ich hätte mir da etwas mehr Mut gewünscht“, sagte er. Gerade jetzt müsse man mit dem Projekt starten, weil die Umsetzung vermutlich sehr lange geht, so Ruf.

Thomas Albrecht (CDU), Bürgermeister von Wellendingen, forderte dazu auf, visionär unterwegs zu sein. „Wir sollten visionär entscheiden, denn so geht die Verkehrswende“, sagt er. Der Lückenschluss sei sehr kurz, aber die Vorteile letztlich sehr groß, erklärte Elke Müller (Grüne).

Gäubahn bevorzugtes Projekt

Letztlich erhob nur der frühere Rottweiler Oberbürgermeister Thomas Engeser (Freie Wähler) die Stimme für die ansonsten schweigende Mehrheit der Kreisräte, die einen Lückenschluss ablehnen. „Wir sollten die Gäubahn starten“, führte er aus. Damit liege Rottweil an der Magistrale Stuttgart-Mailand.

Eines der wichtigsten Projekte der Stadt Schömberg wird nun weiterverfolgt werden können. Denn die Sanierung und Aufwertung des Bahnhofsareals durch die Stadt wäre wohl gestorben, wenn die Bahnlinie in Richtung Rottweil neu gebaut worden wäre. Die Planungen sind schon weit fortgeschritten, seit 6 Jahren beschäftigt sich die Gemeinde mit dem Vorhaben.

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