Kafka und Humor: der Nahostkonflikt im Zimmertheater

Brandaktuell ist die laufende Produktion des Rottweiler Zimmertheaters: Hautnah werden Facetten des Nahostkonflikts auf die Bühne gebracht – zum Glück nicht so hart wie vor Ort, sondern mit feinem verbalem Florett. Und gewürzt mit einer Prise subtilem Humor.
Das ist die große Stärke von Theater: dass Menschen mit Menschen zusammenkommen. Und mit etwas Glück unmittelbar hören, erleben und erspüren können, was diese Menschen an- und umtreibt.
Dieses Näheprinzip wird im konkreten Fall genutzt als Zugang zu Themen des Nahostkonflikts. Wobei einem so ein glatter Begriff mittlerweile fast beschönigend vorkommt für das, was sich an Leid und Elend im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern sowie weiteren Gruppen in der Region seit Monaten abspielt.
Das Stück mit dem Titel „Who the Fuck is Kafka“, stürzt sich allerdings nicht in den Höllenschlund der Tagesaktualität. Vielmehr zeigt es in einer Perspektive vor dem Massaker vom 7. Oktober 2023 und den darauffolgenden Geschehnissen, wie der Konflikt gewachsen und geschichtet ist. Nicht wie ein Geschichtsseminar. Sondern, indem zwei Menschen Schicksalen, Gefühlen, Ängsten und Verletztheiten beider Seiten ein Gesicht geben.

Grundlage des Stücks ist ein Roman der israelischen Schriftstellerin Lizzi Doron. Sie führt die israelische Literatin Lizzie (Valentina Sadiku) und den der palästinensischen Menschenrechtsaktivisten und Fotografen Nadim Abu Hanis (Peter Haug-Lamersdorf) zusammen.
Die beiden treffen sich auf einer Friedenskonferenz in Rom und begeistern sich für ein Projekt: Das Leben des jeweils anderen kennenzulernen und es in einem Buch und einem Film darzustellen.

Was sie dabei nach und nach entfalten, ist nichts anderes als unfassbar verknotet und verfahren – kurz: kafkaesk wie es auch der etwas derb anmutende Titel anspricht. Valentina Sadiku spielt die Literatin mit großer Klarheit und Gefühlstiefe, Peter Haug-Lamersdorf macht beim Aktivisten einerseits die Leidensdimension, andererseits aber auch Zwiespältigkeiten deutlich. Hinzu kommt Natalie Althauser, die als eingreifende Erzählerin der Textfläche elegant Struktur und Farbe verleiht.

Der intensiven Nahansicht der Ängste und Erfahrungen setzt Regisseur Peter Staatsmann mit einem klugen Schachzug einen Gegenpol zu Seite: Mario Schnell bringt sympathisch zerbrechlich eine clowneske Dimension ins Spiel. Mit Geschick und Slapstick schiebt er den Problemdruck einer ganzen Weltgegend schlaksig zur Seite, lockert den Szenenfluss auf – und bringt zuweilen scheinbar unernst auf den Punkt, was da an Unfassbarem im Raum steht. Eine Szene, in dem er sich in den eigenen Hosenträgern verheddert etwa könnte man als sinnbildlich lesen für die Problemknäuel, die sich im Nahen Osten verhakt und verfestigt haben.
So darf man an diesem intensiven Theaterabend, den Dorin Grama wieder mit anspielungsreicher Livemusik kommentiert, nicht nur viel nachdenken und nachfühlen, sondern auch gelöst Lachen. Zumindest ab und an.
Info: Zu sehen ist die Inszenierung noch am 13. und 14. Juni. Beginn ist jeweils 20 Uhr, am 13. Juni gibt es zudem bereits um 19 Uhr eine Einführung im Theatercafé.