Dienstag, 19. März 2024

Rechtsanwalt im Steige-Prozess: „Mein Mandant ist suizidgefährdet“

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Sechs Jahre und zwei Monate Haft – dieses Urteil ĂĽber seinen Mandanten im Prozess um den schweren Unfall an der Steige in Schramberg hält der Verteidiger des heute 50-jährigen Unfallfahrers fĂĽr „vertretbar, jedoch keinesfalls fĂĽr zwingend.“ Er kĂĽndigte Revision an und unterstellt dem Gericht eine Tendenz zur Verurteilung.

„Nach dem Verlauf der Hauptverhandlung, aufgrund der Art und Weise, wie vom Gericht Zeugen und Sachverständige befragt wurden und spätestens aufgrund der BegrĂĽndung des abgelehnten Beweisantrages war fĂĽr mich klar, dass die Kammer zweifelsfrei zu einer Verurteilung tendiert.“ So fasst Rechtsanwalt Bernhard MuĂźgnug den Verlauf des Prozesses gegen den Steige-Unfallfahrer aus seiner Sicht zusammen. Im Verfahren um den schrecklichen Unfall in Schramberg hatte das Landgericht Rottweil am Donnerstagabend das Urteil gefällt: Der Angeklagte wurde wegen versuchten Mordes durch Unterlassen, wegen Unfallflucht und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt.

Urteil erwartet

MuĂźgnug hatte das nach eigenen Angaben erwartet, sagte er auf Nachfrage der NRWZ. „Aufgrund der Gesamtumstände hatte ich vor der UrteilsverkĂĽndung der Nebenklägervertreterin meine Einschätzung beziehungsweise BefĂĽrchtung mitgeteilt, dass ich von einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten ausgehen wĂĽrde. Es wurden dann 6 Jahre 2 Monate.“ Er habe mit seinen Beweisanträgen noch versucht, das Blatt zu wenden – vergeblich. Der Rechtsanwalt ist der Ansicht, dass „viele belastende Umstände zum Nachteil meines Mandanten“ angenommen worden seien, die sich „nicht zwangsläufig“ aus der Hauptverhandlung so ergeben hätten. „Man hätte sie auch anders wĂĽrdigen können“, so der Rechtsanwalt. Zugunsten des Angeklagten, in dubio pro reo.

„Als erfahrenem Strafverteidiger“ sei ihm zudem „nicht verborgen geblieben, dass das Gericht schon vor den Plädoyers veranlasst hatte, dass im Gegensatz zu den sonstigen Verhandlungstagen Vollzugsbeamte im Gerichtssaal waren“. Die Bedeutung war fĂĽr den Rechtsanwalt klar: „Das Gericht ging schon zu dieser Zeit davon aus, dass wohl ein Haftbefehl verkĂĽndet werden wird.“

Eine gewisse Voreingenommenheit der Kammer? MuĂźgnug spricht das nicht aus. Aber er legt sich recht klar fest: „Wir werden das Urteil mit der Revision angreifen.“ Er wolle allerdings zunächst „nach Eingang des schriftlichen Urteils die dort niedergelegten GrĂĽnde eingehend prĂĽfen“ und könne erst dann eine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten abgeben.

Schock vor dem Urteil

Der heute 50-jährige Unfallfahrer, der den Gerichtssaal am Donnerstagmittag noch als freier Mann betreten hatte, erlitt offenbar einen Schock, als er auf Veranlassung des Gerichts dann in Gewahrsam genommen wurde. Ein Notarzt und der Rettungsdienst wurden gerufen, der Mann behandelt. Der Urteilsverkündung wohnte er mit einer frischen Kanüle im Arm bei, wirkte kraftlos und erschlagen.

„Meinem Mandanten ging es nach der Haftbefehlseröffnung sehr schlecht“, bestätigt inzwischen MuĂźgnug. Der Mann sei auf seine Veranlassung hin in das Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg  verbracht worden, damit er behandelt und ĂĽberwacht werden kann. „Ich halte ihn fĂĽr suizidgefährdet“, so der Verteidiger abschlieĂźend.

Dem Gericht ging es im Rahmen der UrteilsverkĂĽndung aber auch darum, an das Opfer zu erinnern, das der heute 50-Jährige in jener Nacht angefahren, mitgeschleift – und dann wissentlich schwer verletzt liegen gelassen hatte, wie die Kammer urteilte. Der Mann – der stark betrunken auf der StraĂźe gelegen hatte – habe an diesem Tag Grund zum Feiern gehabt, sich auf einen anstehenden neuen Lebensabschnitt gefreut. Und sei jäh aus diesem bisherigen Leben gerissen worden.

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