Moderne Märchen: Corona-Infizierte im Supermarkt

Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

Anfang der Woche berichtete die Lokalzeitung „Schwarzwälder Bote“ von einem angeblichen Vorfall in einem Schramberger Supermarkt, der über Facebook veröffentlicht worden sei.  Ein Mann  teilte mit, eine Arzthelferin habe in diesem Markt eingekauft. Dort habe sie eine Person entdeckt, von der sie wusste, dass sie Corona-positiv sei. Sie habe den Marktleiter informiert und der habe daraufhin über die Lautsprecheranlage durchgegeben, diese Person möge sich zum Hinterausgang begeben. Es hätten sich dort dann sieben Personen eingefunden, so die Pointe.

Ausriss aus SB vom 17. Mai 2021

Der Zeitungs-Kollege hat nachgefragt. Der Marktleiter dementierte, eine solche Durchsage gemacht zu haben. Auch bei der Stadtverwaltung hakte er nach. Dort fand man, das Verhalten des Marktleiters, hätte es denn so stattgefunden, wäre geeignet, „um mögliche Kontakte zu reduzieren“. Der Kollege hatte sicher selbst Zweifel an der Geschichte, denn er hat das Ganze in der Rubrik „Na so was“ veröffentlicht.

Die Nieren-OP im Europapark

Die Geschichte ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine „urban legend“ – ein Märchen der Moderne. Bei Volkskundlern ein beliebtes Forschungsthema. In den 90er-Jahren erschien eine Sammlung solcher Geschichten unter dem Titel: „Die Spinne in der Yuccapalme“. Bekannt ist die Geschichte von der rausgeschnittenen Niere im Freizeitpark, bei der  ein junges Mädchen betäubt wird und später eine Niere weniger hat.

Auch die Story aus dem Edelrestaurant ist bekannt. Da liest der Gast am Ende auf der Rechnung: „Bitte besuchen Sie uns nicht mehr“, weil die Gäste sich gegenseitig hätten probieren lassen. Diese Geschichten kursieren teilweise weltweit. Bei uns geschah die unfreiwillige Organspende im Europapark, in den USA in Disneyland. Ganz typisch, der Erzähler sagt: „Ich weiß es genau. Das hat die Freundin meines Schwagers erlebt.“ Namen fallen fast nie. Im Fall Schramberg postet ein Ehemann einer Arzthelferin…

In Neckarsulm und Italien dokumentiert

Dass es sich tatsächlich um eine neue „urban legend“ handelt, darauf hat Rolf Munzinger die NRWZ hingewiesen: Die „Heilbronner Stimme“ berichtet nämlich schon am 10. Mai über ein Gerücht aus Neckarsulm: „Lassen Supermärkte angeblich mit dem Coronavirus infizierte Kunden über Lautsprecher ausrufen?“

Dort war angeblich ein Mitarbeiter eines Gesundheitsamtes im Kaufland unterwegs und traf auf einen  Corona-Infizierten, der eigentlich in Quarantäne sein müsste. „Über Lautsprecher soll die Durchsage erfolgt sein, dass sich ein Kunde mit Corona im Markt aufhalte. Der Betreffende solle unverzüglich zum Info-Schalter kommen. Andernfalls werde die Polizei verständigt.“ Und auch hier kommt die Pointe: „Es melden sich angeblich fünf Infizierte.“ Dieselbe Geschichte nur an einen anderen Ort verlegt und ein wenig anders ausgeschmückt.

Auch aus Italien wird die Geschichte schon berichtet – und dort auch richtig als urbane Legende eingeordnet.

Satiriker als Quelle?

Die Kollegin der Heilbronner Stimme hat sogar die Quelle für die Geschichte erfahren. Eine Kauflandsprecherin habe berichtet, der Kabarettist Sebastian Pufpaff habe die Geschichte Ende April in seiner Show erzählt. Und tatsächlich Pufpaff beginnt die Geschichte so: „Ich kenne jemand, der im Gesundheitsamt arbeitet und dieser Jemand kennt jemand, der….“ Merken Sie was? Bei Pufpaff waren es am Ende übrigens acht Personen, die am Info-Schalter standen…. (Ab 5. Minute).

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Pufpaffs Agent allerdings versichert auf Nachfrage der NRWZ, „dass die von Sebastian Pufpaff erzählte Gegebenheit den Tatsachen entspricht“, ohne dies bisher allerdings zu belegen.

Anmerkung: In einer früheren Version stand im ersten Absatz der „Mann einer Arzthelferin“ habe mitgeteilt, seine Frau habe…. das war ein Missverständnis, über das uns ein Leser aufgeklärt hat. Danke!

Das interessiert diese Woche



Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

Anfang der Woche berichtete die Lokalzeitung „Schwarzwälder Bote“ von einem angeblichen Vorfall in einem Schramberger Supermarkt, der über Facebook veröffentlicht worden sei.  Ein Mann  teilte mit, eine Arzthelferin habe in diesem Markt eingekauft. Dort habe sie eine Person entdeckt, von der sie wusste, dass sie Corona-positiv sei. Sie habe den Marktleiter informiert und der habe daraufhin über die Lautsprecheranlage durchgegeben, diese Person möge sich zum Hinterausgang begeben. Es hätten sich dort dann sieben Personen eingefunden, so die Pointe.

Ausriss aus SB vom 17. Mai 2021

Der Zeitungs-Kollege hat nachgefragt. Der Marktleiter dementierte, eine solche Durchsage gemacht zu haben. Auch bei der Stadtverwaltung hakte er nach. Dort fand man, das Verhalten des Marktleiters, hätte es denn so stattgefunden, wäre geeignet, „um mögliche Kontakte zu reduzieren“. Der Kollege hatte sicher selbst Zweifel an der Geschichte, denn er hat das Ganze in der Rubrik „Na so was“ veröffentlicht.

Die Nieren-OP im Europapark

Die Geschichte ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine „urban legend“ – ein Märchen der Moderne. Bei Volkskundlern ein beliebtes Forschungsthema. In den 90er-Jahren erschien eine Sammlung solcher Geschichten unter dem Titel: „Die Spinne in der Yuccapalme“. Bekannt ist die Geschichte von der rausgeschnittenen Niere im Freizeitpark, bei der  ein junges Mädchen betäubt wird und später eine Niere weniger hat.

Auch die Story aus dem Edelrestaurant ist bekannt. Da liest der Gast am Ende auf der Rechnung: „Bitte besuchen Sie uns nicht mehr“, weil die Gäste sich gegenseitig hätten probieren lassen. Diese Geschichten kursieren teilweise weltweit. Bei uns geschah die unfreiwillige Organspende im Europapark, in den USA in Disneyland. Ganz typisch, der Erzähler sagt: „Ich weiß es genau. Das hat die Freundin meines Schwagers erlebt.“ Namen fallen fast nie. Im Fall Schramberg postet ein Ehemann einer Arzthelferin…

In Neckarsulm und Italien dokumentiert

Dass es sich tatsächlich um eine neue „urban legend“ handelt, darauf hat Rolf Munzinger die NRWZ hingewiesen: Die „Heilbronner Stimme“ berichtet nämlich schon am 10. Mai über ein Gerücht aus Neckarsulm: „Lassen Supermärkte angeblich mit dem Coronavirus infizierte Kunden über Lautsprecher ausrufen?“

Dort war angeblich ein Mitarbeiter eines Gesundheitsamtes im Kaufland unterwegs und traf auf einen  Corona-Infizierten, der eigentlich in Quarantäne sein müsste. „Über Lautsprecher soll die Durchsage erfolgt sein, dass sich ein Kunde mit Corona im Markt aufhalte. Der Betreffende solle unverzüglich zum Info-Schalter kommen. Andernfalls werde die Polizei verständigt.“ Und auch hier kommt die Pointe: „Es melden sich angeblich fünf Infizierte.“ Dieselbe Geschichte nur an einen anderen Ort verlegt und ein wenig anders ausgeschmückt.

Auch aus Italien wird die Geschichte schon berichtet – und dort auch richtig als urbane Legende eingeordnet.

Satiriker als Quelle?

Die Kollegin der Heilbronner Stimme hat sogar die Quelle für die Geschichte erfahren. Eine Kauflandsprecherin habe berichtet, der Kabarettist Sebastian Pufpaff habe die Geschichte Ende April in seiner Show erzählt. Und tatsächlich Pufpaff beginnt die Geschichte so: „Ich kenne jemand, der im Gesundheitsamt arbeitet und dieser Jemand kennt jemand, der….“ Merken Sie was? Bei Pufpaff waren es am Ende übrigens acht Personen, die am Info-Schalter standen…. (Ab 5. Minute).

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Pufpaffs Agent allerdings versichert auf Nachfrage der NRWZ, „dass die von Sebastian Pufpaff erzählte Gegebenheit den Tatsachen entspricht“, ohne dies bisher allerdings zu belegen.

Anmerkung: In einer früheren Version stand im ersten Absatz der „Mann einer Arzthelferin“ habe mitgeteilt, seine Frau habe…. das war ein Missverständnis, über das uns ein Leser aufgeklärt hat. Danke!

Das interessiert diese Woche

Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.