Samstag, 20. April 2024

Schippert Ruja Ignatova übers Mittelmeer?

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Schramberg – Es ist ein wie ein Roman mit Fortsetzungsfolgen, bei dem der letzte Teil noch fehlt: die Geschichte um „OneCoin“ und ihre Erfinderin Ruja Ignatova. Lange Zeit hat sich nur eine kleine Gruppe kritischer Fachleute um den Milliardenschwindel der extravaganten Dame gekümmert.

Doch seit Jamie Bartlett in einem BBC-Podcast vor knapp zwei Jahren über die „Missing Cryptoqueen“ berichtet hat, sind auch die großen Zeitungen und Magazine auf die Story aufmerksam geworden. Spätestens seit  nun auch Interpol, das BKA und „Aktenzeichen XY“ nach der Cryptoqueen fahnden, kennen auch hierzulande viele Menschen ihr Gesicht.

Bartlett hat jetzt ein Buch veröffentlicht, in dem er seine Podcastfolgen zwar verwendet hat, aber die Geschichte um die in Schramberg aufgewachsene Ruja Ignatova und ihre angebliche Kryptowährung auf eine ganz andere Art und Weise neu erzählt.

„Ich habe versucht, die Geschichte, wie einen rasend schnellen Thriller zu erzählen“, schreibt Bartlett der NRWZ. “Es ist deshalb ganz anders als der Podcast.“ Er selbst tauche in der Geschichte auch erst auf den letzten paar Seiten auf. „Das schien mir für die Geschichte angemessen zu sein.“

Rasant erzählt

Und tatsächlich: Es geht rasant los: Bartlett schildert, wie Ruja Ignatova am 11. Juni 2016  hinter der großen Bühne in der Londoner Wembley Arena auf ihren großen Auftritt wartet: „’Ich werde eure Coins verdoppeln, ich werde Eure Coins verdoppeln.‘ Sie konnte die Rufe und Jubelschreie tausender ihrer Bewunderer im Hintergrund hören.“

Ruja würde wenige Minuten später der Menge etwas verkünden, was eigentlich völlig unmöglich ist, nämlich die plötzliche Verdoppelung der Crypto Coins. Aus etlichen Videos ist Ignatovas Auftritt in der Wembley Arena bekannt – und der frenetische Jubel ihrer Anhänger.

Das neue Buch von Jamie Bartlett ist heute auf den Markt gekommen. Foto: pm

Jugend in Schramberg

Ein paar Seiten später schildert Bartlett wie Ruja und ihr Bruder in Schramberg aufgewachsen sind. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1990 sei die Familie Ignatova nach Deutschland eingewandert und „ließ sich in einer eher ärmeren Ecke der Kleinstadt Schramberg im Südwesten Deutschlands nieder“.

Bartlett schildert die Jugendzeit Rujas und Konstantins – und nennt als Quelle die NRWZ, die in mehreren Artikeln eine Menge von Informationen über die frühen Jahre von Ruja und Konstantin zusammengetragen habe.

Ruja Ignatova hat im Jahr 1999 am Schramberger Gymnasium ihr Abitur bestanden. Ihr Jahrgang hat sich mit Abivederci verabschiedet. An der Grafik hat sie mitgemalt. Foto: him

Es folgen 35 Kapitel, in denen  Bartlett seine Leserinnen und Leser an die verschiedensten OneCoin-Schauplätze auf der Erde führt: Von Schramberg über London, Sofia, Macau und Uganda bis nach Dubai und wieder zurück.

Die große Frage

Er schildert den Aufstieg Rujas, zeichnet den Niedergang nach – und versucht, wie so viele andere, herauszufinden, wo Ruja Ignatova nach ihrem Abtauchen am 25. Oktober 2017 geblieben ist. Natürlich weiß es auch Jamie Bartlett nicht.

Aber er hat mit vielen Menschen gesprochen und hat eine Theorie. Es könnte sein, dass Ruja irgendwo  festgehalten wird und ihr Wissen, wie man Gelder wäscht für irgendjemand anderes nutzt – im Gegenzug für Sicherheit. Vielleicht auf einer großen Yacht, gemütlich von einem Hafen zum anderen schippernd.

Er berichtet, er habe Zeugenaussagen, wonach verschiedene Leute Ruja an mehreren Orten rings um das Mittelmeer gesehen haben wollen.  Aber er schränkt auch ein: Vielleicht habe sich nur jemand einen Scherz erlaubt. „Nothing would surprise me about this story any more“, schreibt Bartlett, bei dieser Geschichte würde ihn nichts mehr überraschen. Wie wahr.

Am 23. Juni ist das Buch auf Englisch erschienen. Eine deutsche Ausgabe folgt bestimmt.

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Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.