Freitag, 19. April 2024

OneCoin: Die Banken wussten Bescheid

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Ruja Ignatova, die Cryptoqueen mit Schramberger Wurzeln ist bekanntlich seit drei Jahren spurlos verschwunden. Jetzt taucht sie wieder auf – allerdings nur virtuell:  Das internationale Reporterteam ICIJ hat Unterlagen der US-Behörde Financial Crimes Enforcement Network, kurz FinCen, ausgewertet. Darin tauchen hunderte Namen von Geschäftsleuten, Politikern und hohen Beamten auf, die in Geldwäschegeschäfte verwickelt sein sollen.

Ignatova in „guter“ Gesellschaft

Die Journalisten haben eine Liste mit 20 prominenten Namen und deren Fälle aufgelistet. Dazu gehören der ehemalige Trump-Wahlkampfmanager Paul Manafort, die angolanische Präsidententochter Isabel dos Santos, der Ex-Präsident der Republik Kongo Jean-Pierre Bemba Gombo, etliche Oligarchen aus Russland und der Ukraine – und Ruja Ignatova.

Den Journalisten sind dabei meist Verdachtsberichte einer Vielzahl von Banken in die Hände geraten, die zwischen 1999 und 2017 der US-Behörde zugegangen waren. Mehr als 90  Banken weltweit haben solche Suspicious Activity Reports (SAR) geliefert. Insgesamt seien Überweisungen von mehr als zwei Billionen US-Dollar als verdächtig gemeldet worden. Korruption, Geldwäsche oder auch  der Verdacht, dass mit dem Geld Terroristen finanziert werden sollen, waren die Gründe für die Meldungen.

Ob das dann auch tatsächlich so war, beweisen die Meldungen nicht, wie die ICIJ-Journalisten betonen. Sie zeigten aber, dass die Banken oft wussten, dass da krumme Geschäfte laufen könnten, sie dies aber nicht verhindert haben.

Gerichtsbekannt: Es geht um wahrscheinlich 15 Milliarden US-Dollar

Ruja Ignatova, in Schramberg aufgewachsen und zur Schule gegangen, hatte gemeinsam mit Karl Sebastian Greenwood eine Cryptowährung OneCoin erfunden. Weltweit verkauften die beiden mit einer Vielzahl von anderen in einer Art Schneeballsystem Bildungspakete, über die man angeblich sehr schnell sehr reich werden könnte. Weltweit haben die OneCoin-Erfinder wohl 15 Milliarden Dollar einkassiert.*

Allein in den USA soll OneCoin in den Jahren 2016 und 17 etwa 3,4 Milliarden kassiert haben, wie aus Gerichtsdokumenten hervorgeht.

Großer Auftritt in Wembley. Foto aus einem OneCoin-Werbevideo. Sreenshot: him

Ein Anwalt, Marc Scott, der für OneCoin Geld im großen Stil gewaschen hat, ist inzwischen  schuldig gesprochen, das Strafmaß steht noch aus. Nun haben die ICIJ-Macher in den FinCen Papieren auch Ruja Ignatova entdeckt.

Auf ihrer „Karteikarte“ schreiben sie kurz über die OneCoin-Ermittlungen und Rujas „Exit-Strategie“, die sie schon ganz früh am 9. August 2014 in einer Mail an Greenwood beschrieben hatte: „Schnapp Dir das Geld und verschwinde und schiebe jemandem anderen die Schuld in die Schuhe…“ (“take the money and run and blame someone else for this …”)

In zwei Jahren sind  verdächtige Transaktionen über 137 Millionen Dollar dokumentiert

Zwischen 2015 und 2016 hätten dreizehn Banken bei 29 Transaktionen mehr als 137 Millionen Dollar  für Firmen aus dem OneCoin-Dunstkreis hin und her geschoben. Das hatte im Februar 2017 die Bank of New York Mellon an FinCen in einem SAR  berichtet.

Die Bank habe geschrieben, es sehe danach aus, dass diese Firmen in „layering“ verwickelt seien. Unter Layering versteht man das Verschleiern der Herkunft von Geldern, in dem man sie immer wieder von einem Konto auf ein anderes verschiebt.

Die Spur des Geldes. Grafik: ICIJ

Eine solche Transaktionskette beschreiben die ICIJ-Journalisten: Am 13 Juli 2016 schickte Fenero Equity Investments auf den British Virgin Islands, 30 Millionen US-Dollar an die Bank of New York Mellon (BNYM). Dafür  benutzte man ein Konto auf den Cayman Inseln bei DMS Bank & Trust.

Als Zahlungszweck steht da: „Darlehen an CryptoReal“, Die CryptoReal war eine Kapitalanlagegesellschaft von OneCoin. Von der BNYM floss das Geld an die DBS Bank in Hongkong auf ein Konto der Barta Holdings Ltd. Laut BNYM  gehörte Barta dem chinesischen Geschäftsmann Hui Chi Ming.

Ist der „chinesische Gentleman“ Dr. Hui?

Zum Fenero Fund hatte Konstantin Ignatov, Rujas Bruder und zeitweiliger Nachfolger bei OneCoin, in seinem Prozess im November 2019 in New York erklärt, dass ihm der Fenero-Fund bekannt war. Scott hätte den Fund für seine Geldwäsche-Geschäfte genutzt. In Hongkong, so sagte er weiter aus, habe OneCoin „ein besonderes Apartment gehabt, voller Bargeld.“  Ruja sei von einigen ihrer Leute beklaut worden, so „Konsti Keks“ vor Gericht. Auch ein „chinesischer Gentleman“ habe Geld aus der Firma abgezweigt. Möglicherweise eben jeder Hui Chi Ming?

Dr. Ruja wirbt weltweit. Screenshot: him

Über diesen Milliardär hatte Mark Scott in seinem Verfahren ausgesagt, dieser habe mit OneCoin ein Erdöl-Geschäft machen wollen und über ein Darlehen in Höhe von 60 Millionen Dollar verhandelt. Laut FBI-Ermittlungen war zum Vertragsabschluss Neil Bush, der jüngere Bruder von Ex-US-Präsident George W. Bush nach Hongkong geflogen, wo er tatsächlich Ruja Ignatova und Dr. Hui traf. Der Deal kam später zwar nicht zustande, aber Bush erhielt dennoch 300.000 Dollar Honorar. (Die NRWZ berichtete im November 2019 in ihrer Druckausgabe.)

Ignatova antwortet nicht

Die ICIJ-Kollegen haben wie in allen Fällen auch versucht mit Ruja Ignatova Kontakt aufzunehmen und sie um eine Stellungnahme zu bitten. Vergebens: „Ignatova did not respond to ICIJ’s request for comment.“ („Ignatova hat ICIJs Wunsch um einen Kommentar nicht beantwortet“)

Hätte sie geantwortet, dann wäre das wirklich eine Sensation gewesen.

Grafik: ICIJ

Weitere Berichte in großen deutschen Zeitungen

Am heutigen Samstag berichten sowohl die „Süddeutsche Zeitung“ als auch die „Frankfurter Rundschau“ in ausführlichen Artikeln über OneCoin. Die beiden Verlage sind mit ICIJ verbunden und vewenden auch Material aus den FinCen Dokumenten. Die SZ und die FR zitieren auch aus mehreren OneCoin-Berichten aus der NRWZ. Auch bei Buzzfeed ist ein langer Artikel mit Dokumenten erschienen, dort  finden sich  viele Belege, für Aussagen, die bereits 2019 in der NRWZ standen.  Damit man diese Serie nachlesen kann, haben wir sie nun auch online veröffentlicht.

*(Quelle: Minute 5:32 Anhörung des Greenwood-Anwalts am 7. August 2020: https://www.youtube.com/watch?v=QjmlNUxTJ24&feature=youtu.be&fbclid=IwAR3kcFKv2p7tLECWQo8Vw1z3bQhp06YZdDrB_Uyz3CKbQTLsiqPscM1Zy-0  Anwalt Barket: …If we could visit, we would spend hours every day, I could get up to speed. A 15 billion Dollar alleged international crypto-currency, with a lot of information on the Internet….)

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Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.